Peter Roths Requiem als symbolischer Abschluss des St. Galler Reformationsjubiläums
«Wisst ihr denn nicht?»
In Auftrag gegeben hat das Werk die St. Galler Kantonalkirche. Es solle die Reformationsfeierlichkeiten abschliessen. Weitere Prämissen gab es nicht. Roth zog sich einen Monat auf den Monte Verità zurück, schuf die Grundlagen, komponierte und textete zu Ende und lieferte «Wisst ihr denn nicht?» ab. «Mir wurde – ein sehr reformierter Zug – grosses Vertrauen entgegengebracht und viel Freiheit eingeräumt», so der 74-Jährige.
Das Werk bewegt sich auf drei Ebenen: Dem Dies- und Jenseits, dem Deutschen und Lateinischen sowie der Komposition und Improvisation.»
Nicht warten bis nach dem Tod
Erzählt ist die anderthalbstündige Messe schon im ersten Satz, als der Tod an die Tür klopft. «Was wollt ihr warten bis nach eurem leiblichen Tod?» Den Aufruf, im Diesseits das göttliche Licht zu leben, verknüpft Roth mit alten Texten, in denen «eine unglaubliche Weisheit steckt», aber auch mit zeitgenössischen. Abrahams Sohn als Opfergabe, die Hinrichtung des Täufers Peter Manz und die «Hexenverbrennungen» sind Sinnbild für die monotheistischen Religionen und ihre Gewalt und die Frauenopfer. Texte von Häuptling Seattle, Dorothee Sölle, Rudolf Hilty und Marianne Williamson rufen auf, der Erde und damit der Schöpfung mehr Respekt entgegenzubringen, geben zu bedenken, dass Kanonen und Kasernen nicht von Gott gemacht sind, und fordern auf, Mut zu haben, zu verzeihen und sich nicht klein zu machen, zumal dies der Welt nichts nütze.
«Ein Requiem schreibt man nur einmal im Leben, es ist wie ein Vermächtnis.»
Dicht verwobenes Werk
Eingeflochten und dicht verwoben sind die Texte mit der Musik. Wohl gibt die Komposition Passagen vor, es singen der Chor «Chorprojekt St. Gallen» und ein Solistenquintett die liturgischen Worte der Totenmesse. Doch da gibt es auch Improvisationen des Jazzquintetts, welche je nach Raumakustik des Aufführungsorts und Stimmung die grossen Zeitfragen musikalisch umsetzen. Denn im Kirchenmusiker und Allrounder Peter Roth steckt ebenso der Jazzer, der selbst in die Klaviertasten greift, sich auf die Aufführungen freut und auch im Chor ein enormes Engagement spürt. Dies erstaunt nicht: Die philosophischen, spirituellen und religiösen Aussagen treffen den Nerv der Zeit, sind existenziell, berühren. – Das Plädoyer fürs Diesseits kommt an.
Uraufführungen:
Samstag, 3. November: 20 Uhr, Klosterkirche, Alt St. Johann
Sonntag, 4. November: 17 Uhr, Kirche St. Laurenzen, St. Gallen
Text: | Foto: Katharina Meier – Kirchenbote SG, November 2018
«Hend kei Angscht und läbet s’Licht»
Im achten Satz des Requiems, «In Paradisum» plädiert der Komponist und Musiker Peter Roth dafür, das Licht in uns zu zeigen, es zu leben und sich im Hier und Jetzt für Gerechtigkeit, ein Leben in Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen.
«Wisst ihr denn nicht, dass das göttliche Licht in den achtzig Billionen Zellen eures Körpers leuchtet und strahlt!», singt ein Quintett, worauf die Solostimmen und der Chor einsetzen: «Drum hend kai Angscht und läbed s’ Liecht, denn s’ unglebt Liecht beschert dä Welt diä Höll vo Macht, Konsum und Geld! … Hend kai Angscht und läbed s’Liecht vor em Tod i däre Welt! Amen.»
Danke!