News aus dem Kanton St. Gallen

Von Heimat zu Heimat

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19.11.2018
Vor 170 Jahren starb der gottesfürchtige Weinfelder Dichter Johann Ulrich Bornhauser. Zu Lebzeiten kaum beachtet, kommt er den Thurgauern doch noch an jeder Bundesfeier ins Bewusstsein: beim Singen des Thurgauer Liedes.

Am 12. September 1848 – also vor 170 Jahren – trat die Bundesverfassung in Kraft. Was der Weinfelder Dichter und Patriot Johann Ulrich Bornhauser zu diesem Ereignis geschrieben hätte, wissen wir leider nicht. Er starb ein paar Monate zuvor, am 18. April 1848. Er wurde nur 23 Jahre alt. Trotz seines kurzen Erdendaseins hat er aber Bleibendes geschaffen: Er hat die Texte zum Thurgauer Lied und zum Weinfelder Lied verfasst.

Lehrerseminar statt Ottenberg
Den Text zum Thurgauer Lied schrieb Bornhauser im Juni 1842, als er 17 Jahre alt war. Die Vorstellung ist gewiss reizvoll, dass der junge Dichter die Zeilen auf dem Ottenberg verfasst haben könnte, als er auf den lieblichen Flecken Weinfelden herabblickte. Der Weinfelder Lokalhistoriker Hermann Lei (1910 bis 2006) schreibt aber in seinem Buch «Weinfelder, die Geschichte machten», dass Bornhauser den Text im Kreuzlinger Lehrerseminar dichtete, das er von 1842 bis 1844 absolvierte. Erst Jahre später hat der Schulmeister Johannes Wepf aus Müllheim Bornhausers Zeilen vertont. Das Lied soll rasch zum Repertoire von Thurgauer Chören gehört haben. Offiziell erstmals gesungen worden sein soll es zur Einweihung der Bahnlinie Winterthur-Romanshorn am 15. Mai 1855. Populär wurde das Lied aber erst, als der Thurgauer Komponist und Dirigent Heinrich Steinbeck (1884 bis 1967) vor 64 Jahren die Melodie in den Marsch des ehemaligen Infanterie- Regimentes 31 integrierte.

Berühmter Verwandter
«Bornhauser war zu Lebzeiten nicht berühmt », sagt der Weinfelder Bürgerarchivar Franz Xaver Isenring. Sein Grab ist längst verschwunden. Und heute erinnert nur noch eine schlichte Tafel der Bürgergemeinde am Haus zur Linde, dem heutigen Schuhhaus Tiefenbacher, an den Dichter. Übrigens: Der Brunnen beim Rathaus ist seinem entfernten Verwandten, dem Pfarrer und Vorkämpfer der Thurgauer Verfassung von 1831, Thomas Bornhauser, gewidmet. 38 Gedichte hat Johann Ulrich Bornhauser hinterlassen. Isenring bewahrt das schmale Bändchen im Bürgerarchiv sorgfältig auf. Ein paar wenige Schriftstücke befinden sich im Staatsarchiv.

Frühen Tod geahnt?
Bornhauser war am 8. April 1825 im Haus zum Kreuz zur Welt gekommen. Die Ehe der Eltern sei unglücklich gewesen, schreibt Lei. Nach der Scheidung von ihrem trunksüchtigen Mann zog die Mutter Anna Margareta Keller mit den beiden Buben Johann Ulrich und Johann Heinrich ins Haus zur Linde, wo ihr Vater, der Operator Heinrich Keller, wohnte. Nach dem Seminar unterrichtete Bornhauser zunächst in Herrenhof, dann in Wittenwil. Seit seiner Jugend plagte ihn eine schwere Lungenkrankheit. Von Bornhauser existiert leider kein Bildnis. Hermann Lei beschreibt ihn als «eine schlanke, nach vorn geneigte Gestalt von mittlerer Grösse mit dunkelbraunem Haar und dunklen und ernst dreinblickenden Augen». Der Dichter war ein gottesfürchtiger Mann; er muss seinen frühen Tod geahnt haben. In der fünften Strophe des Thurgauer Liedes dichtete er: «Und finde ich schlummernd im Grab einst Ruh, dann decket die heimische Erde mich zu. Und öffnet das Jenseits sein strahlendes Tor, dann schweb ich von Heimat zu Heimat empor.» Doch diese Strophe singt man heute nur noch selten.


(19. November 2018, Esther Simon)

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