News aus dem Kanton St. Gallen

«Der Dialog mit dem Islam ist die grössere Herausforderung als der zwischen Christen und Juden»

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01.04.2019
Heute stehe bei den Christlich-Jüdischen Projekten CJP die Präventionsarbeit gegen Antisemitismus mit Jugendlichen im Fokus, sagt CJP-Präsident Markus Christ.

Markus Christ, vor 20 Jahren wurden die CJP gegründet, um das friedliche Zusammenleben der Glaubensgemeinschaften zu fördern. Diesem Ziel scheint man heute nicht viel näher zu sein, wenn man auf die antisemitischen Vorfälle etwa in Frankreich schaut.
Es zeigt sich, dass es nach wie vor nötig ist, den Dialog unter den Reli-gionen zu pflegen. In unserer Region besteht zwischen Christen und Juden ein sehr gutes Verhältnis.

Der Antisemitismus ist auch bei uns wieder stärker aufgekommen. Wie zeigt sich dies?
Der Antisemitismus kommt an verschiedenen Orten in der Gesellschaft und in der Politik zum Ausdruck. Andererseits ist der Antisemitismus stärker im Bewusstsein der Leute als vor 20 Jahren. Bei der Gründung der CJP 1999 standen das Jubiläum zur Erinnerung an den Zionistenkongress von 1897 wie auch die Diskussion um die nachrichtenlosen Vermögen im Fokus. Heute steht der Antisemitismus stärker im Vordergrund. Darum müssen wir hier Präventionsarbeit leisten.

Wie sieht diese aus?
Früher organisierten wir Vorträge, Podien, Diskussionsabende zu allgemeinen christlich-jüdischen Themen. Heute bilden Projekte den Schwerpunkt unserer Arbeit, mit der wir konkrete Aufklärung leisten. Dabei stehen die Jugendlichen im Zentrum, Firm- und Konfirmandengruppen sowie Schulklassen. Wir erleben immer wieder, wie gross das Interesse der Jugendlichen ist.

Kommen da nicht vor allem Jugendliche, die eh schon viel wissen?
Nein, gar nicht. Wir sehen, dass viele Jugendliche ein grosses Informationsdefizit oder Vorurteile haben. Die können wir korrigieren. Wir wollen Begegnungen schaffen mit der anderen Religion, aber auch mit dem eigenen Glauben. Das Christentum ist bei jungen Menschen nicht mehr in der gleichen Weise vertraut und bekannt wie noch vor zwanzig Jahren.

Seit einigen Jahren beziehen die CJP auch die Muslime und den Islam in ihre Arbeit ein. Warum?
Im Blick auf die gesellschaftliche Situation ist der Dialog mit dem Islam die grössere Herausforderung als der zwischen Christen und Juden. Die Regierungen von Basel-Stadt und Baselland, die uns finanziell unterstützten, regten an, auch die Musliminnen und Muslime in unsere Projekte einzubeziehen.

Daraufhin initiierten die CJP das «Zelt Abrahams», wo die drei Reli-gionen gleichberechtigt sind. Wo ist das «Zelt Abrahams» geblieben?
Nach drei Jahren mussten wir dieses Projekt leider aus finanziellen Gründen einstellen. Geldgeber waren die christlichen und jüdischen Organisationen. Nach drei Jahren fiel die Starthilfe von Swisslos Basel-Stadt und Baselland weg. Es war nicht
möglich, Finanzquellen bei den Muslimen zu erschliessen und Christen und Juden konnten die Kosten nicht alleine tragen.

Unter den Stiftern der CJP ist keine muslimische Organisation. Ist so eine Zusammenarbeit möglich?
Wir suchen den Kontakt mit Vertreterinnen und Vertretern des Islams. Wir sind offen für den Dialog unter allen drei abrahamitischen Religionen. Wir müssen einen Weg finden, wie wir ihn praktisch umsetzen können. Wir gehen gerne auf die Wünsche unserer Projektteilnehmer ein. Wenn Lehr- und Pfarrpersonen dies möchten, beziehen wir die Muslime in unsere Arbeit ein und organisieren auch Exkursionen in die Moscheen. Zudem engagieren wir uns im Projekt «religionen_lokal» der Reformierten Kirche Basel-Stadt im Zwinglihaus. Dort befindet sich unsere Arbeitsstelle. Das Zwinglihaus entwickelt sich zu einem interreligiösen Zentrum. Es gibt dort auch eine muslimische Projektleiterin.

Wie sieht die Zukunft der CJP aus?
Was mir Sorgen bereitet, ist die schwindende finanzielle Unter-stützung der Stifterinnen. Sie kommen für die Personalkosten von rund 80 000 Franken pro Jahr auf. Dazu kommen Spenden und Kollekten für zusätzliche Aufgaben. Die Re-formier-te Kirche Baselland hat die Beiträge bereits reduzieren müssen, Basel-Stadt wird folgen. In Zukunft wird es für den Stiftungsrat eine der wichtigsten Aufgaben sein, Drittmittel zu suchen und zu finden.

Karin Müller, März 2019

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