News aus dem Kanton St. Gallen

Für die Feriengäste gebaut

min
16.05.2019
Die reformierte Kirche in Weggis ist eine der ersten Touristenkirchen. Gleich zweimal war Glück im Spiel: Wie sie zu ihrem Standort und zu einem Pfarrer kam.

Seit exakt hundert Jahren thront die kleine Kirche majestätisch, auf Pfählen gebaut, an einzigartiger Lage, direkt am Vierwaldstättersee. Dabei war sie ursprünglich an einem ganz anderen Standort geplant. Es war ein glücklicher, wenn auch teurer Umstand, durch den sie direkt am Ufer erbaut wurde, das aufgeschüttet und zu Bauland umgewandelt worden war. Die Parzelle, die ursprünglich gekauft wurde, stellte sich als wesentlich kleiner heraus, als der Verkäufer angegeben hatte. In der Folge wurde sie zurückgegeben, der Kaufpreis hingegen nur mit einem hohen Abschlag retourniert. Vermutlich hatte der Verkäufer einen Teil des Geldes schon ausgegeben.

Eine Kirche für 35 000 Franken
Die Initiative für den Bau der Kirche kam vom Kurverein Weggis. Das Ziel war: Auch protestantische Kur- und Feriengäste sollten künftig im mehrheitlich katholischen Ort eigene Gottesdienste abhalten können. 35 000 Franken musste man für den Bau einer Kirche aufwenden. Heute wenig, damals viel. Ein Betrag, der nur mit Hilfe des Protestantisch kirchlichen Hilfsvereins mit Sitz in Zürich sowie der schweizweiten Konfirmandenkollekten 1916 und 1917 finanziert werden konnte.

Vom «Führer» gepredigt
Die Aufregung war verständlicherweise gross, als am 22. Juni 1919 die Einweihung stattfand, unterstützt vom heimischen Chur-Orchester und dem Männerchor. Doch ein Problem gab es. Da die Kirchgemeinde zu klein war, gab es viele Jahre lang keinen Pfarrer vor Ort. Man behalf sich, indem man in der Saison auswärtige Pfarrer anheuerte, für den sonntäglichen Gottesdienst. Im Gegenzug wurden sie mit Ferientagen am Vierwaldstättersee honoriert. Das ging so lange gut, bis man keine einheimischen Aushilfspfarrer mehr finden konnte und Ersatz in Deutschland suchen musste. Man kann sich das Erstaunen der Einheimischen vorstellen, als ein deutscher Pfarrer begann, vom «Führer» zu predigen. Ab dann war klar, es musste ein eigener Pfarrer her.

Heute eine beliebte Hochzeitskirche
Heute leitet Thomas Widmer das Pfarramt in Weggis, und das seit fünf Jahren. «Die Kirche ist zu einem beliebten Ziel für Hochzeiten geworden», sagt er, auch aufgrund der vielen Gastronomiebetriebe, die in der Nähe seien. Zwölf bis 15 Hochzeiten finden im Jahr statt. Die Benützung der Kirche ist gratis, sofern mindestens die Braut oder der Bräutigam der Reformierten Kirchgemeinde Luzern oder einer ihrer Teilkirchgemeinden angehört. Andernfalls kostet die Benützung der Kirche 700 Franken, je nach Wohngegend auch abgestuft. 180 bis 220 Besucher finden Platz.

Bald mit neuer Glocke
Demnächst erhält die kleine Kirche auch eine neue Glocke. Die dritte im Bunde. Bis zur 100-Jahr-Feier wird sie jedoch noch nicht im Glockenstuhl thronen. Dieser ist zu klein und muss erst noch baulich angepasst werden. Einziger Wermutstropfen: Da die Kirche nicht auf Felsen, sondern auf Pfählen erbaut worden ist, bekommt sie immer wieder Risse, die aufwändig saniert werden müssen, das letzte Mal 1982 und 2004. Doch davon will man sich die Feier nicht vermiesen lassen.

Carmen Schirm-Gasser, kirchenbote-online, 16. Mai 2019

Unsere Empfehlungen

Wie das Christentum zu den Ostereiern kam (1)

Wie das Christentum zu den Ostereiern kam (1)

Ostern ist der höchste Feiertag für die Christenheit. An diesem Tag feiern die Gläubigen die Auferstehung des Herrn. Doch wer in diesen Tagen die Läden betritt, stellt rasch fest: Der eigentliche Star heisst Meister Lampe. Wie kommt das Christentum zu den Eiern und den Hasen?
Kunstwerke als Botschafter eines bedrängten Landes

Kunstwerke als Botschafter eines bedrängten Landes

Die Ukraine kämpft um ihr Überleben. Auch die Kunst des Landes leistet ihren Beitrag dazu. Das Kunstmuseum Basel präsentiert derzeit in der Ausstellung «Born in Ukraine» eine Auswahl bedeutender Werke aus der Kyjiwer Gemäldegalerie, dem nationalen ukrainischen Kunstmuseum.
Durch den Boden unserer Welt

Durch den Boden unserer Welt

Niklaus Peter, ehemaliger Pfarrer am Fraumünster Zürich, Autor und Kolumnist, erklärt, warum die Bibel die Menschen fasziniert, tröstet, herausfordert und anspricht.