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Leben & Glauben

Kirchliche Angebote für Männer: Augenschein vor Ort und unvollständiger Überblick

Von Hockey bis Hauskreis

20.05.2019
Im sonntäglichen Gottesdienst sind Männer fast immer in der Minderheit, im kirchlichen Leben gelten sie oft als seltene Spezies und Mangelware. Mehrere Kirchgemeinden im Kanton bieten aber durchaus erfolgreich Aktivitäten speziell für Männer oder Väter mit Kindern an, etwa Rapperswil-Jona.

Eine konzentrierte Atmosphäre herrscht in der Turnhalle Halden: Eine Anspielstation wird gesucht und gefunden, die Offensive legt an Tempo zu, Hockeystöcke knallen aufeinander, der Ball rollt, fliegt – und landet im Tor. Die Anspannung löst sich kurz, einige anerkennende, einige neckende Kommentare – und das andere Team startet bereits den Gegenangriff. Die erwachsenen Männer sind jetzt, nach einer Stunde Spielzeit, gehörig ins Schwitzen und Schnaufen geraten – die drei Jugendlichen etwas weniger. Alle sind sie spürbar engagiert im Spiel, mit Freude, doch ohne jede Verbissenheit. Auf die Frage nach dem Spielstand kann niemand antworten. Den Sieg nach Punkten suche hier keiner, sondern die schöne Kombination, den gelungenen Abschluss. Ihre Motivation sei der Sport an sich – und die gute Stimmung.

Grosses Angebot vor Ort
Unihockey wird in Rapperswil-Jona jeden zweiten Mittwoch gespielt, es ist eines von vielen Angeboten der Kirchgemeinde für Männer: In den jeweils anderen Wochen ist VaKi-Hockey angesagt, im Winter guetzeln Väter und Kinder oder übernachten in den Bergen in selbst gebauten Iglus, im Sommer paddeln sie in Kanus auf die Lützelau zum Zelten, eine Baugruppe packt bei den Aussenanlagen des Kirchenzentrums an, nächstes Jahr wird Bier gebraut und zu Live-Musik degustiert etc. Diese Vielfalt und Dichte ist im Vergleich die grosse Ausnahme.

Überschaubare Vielfalt im Internet
Nur auf gut einem Viertel der Homepages der 40 St. Galler Kirchgemeinden findet man überhaupt regelmässige Angebote für Männer. Informationen und Links zu Aktivitäten speziell für Frauen listen hingegen über die Hälfte auf. Bei der Männerarbeit bestätigt sich: Ob eine Kirchgemeinde in manchen Bereichen ein ausgeprägtes Profil hat, hängt nicht von ihrer Grösse ab, sondern von Stärken und Vorlieben initiativer Personen. In Rapperswil-Jona ist Diakon Matthias Bertschi die treibende Kraft. Mit seinen praktischen und sportlichen Interessen prägt er hier seit Jahren die Männer- und Familienarbeit.

Vater-Kinder-Angebote
Angebote für Väter und ihre Kinder kennen auch andere Kirchgemeinden: Goldach lädt zum Vater-Kind-Wochenende im Lagerhaus ein, mit teils getrennten Programmpunkten für Erwachsene und Kinder. In Diepoldsau sind Ende Juni auch Opas, Onkel, Göttis als Begleitpersonen beim inzwischen elften Vätertag (der drei Tage Zelten mit Spiel und Spass verspricht) erlaubt. In Niederuzwil finden regelmässig Vater-Sohn-Ausflüge statt. Was die Männer an solchen Angeboten schätzen: Zeit zu haben; für die Kinder, für sich. «Wenn sie dann nachts auf 2000 Metern unterm Sternenmeer sitzen, kommen die existenziellen Fragen und tiefe Gespräche», berichtet Bertschi vom Iglu-Wochenende.

 Wagemutig im Bikepark
Auf religiöse Inputs und Rituale verzichtet er ganz bewusst, in dieser Hinsicht ist sein Angebot niederschwellig und offen. Beim Hockey sind Katholiken, Konfessionslose oder auch mal muslimische Asylbewerber mit von der Partie. Aber warum sollen Kirchgemeinden «weltliche» Aktivitäten anbieten wie viele andere Vereine und Institutionen auch? «Damit wird wertvolle Beziehungsarbeit geleistet», ist die Antwort des Walenstädter Pfarrers Heinz Dellsperger. Er trifft sich in der ökumenisch begründeten, aber unabhängigen Gruppe Walensee mit etwa 15 Männern mittleren Alters vierteljährlich für eine Wanderung, eine Weindegustation etc. Aus dem so entstandenen Netzwerk habe er zum Beispiel jemanden für die Kivo gefunden. 

Jonas Gujer, Niederuzwiler Jugendarbeiter, meint, dass Männer die Vermittlung von Glaubensinhalten schnell als aufgezwungen empfänden. «Männer wollen lieber etwas erleben.» Einige kamen auf ihn zu, nachdem er mit Teenagern im Bikepark unterwegs gewesen war: Auch waghalsige Erwachsene wollten sich auf zwei Rädern Hänge hinunterstürzen. Mitte Juni ist deshalb bereits zum dritten Mal «Downhill für Männer» auf der Lenzerheide angesagt. 

Diskussionsfreudig am Apéro
In mehreren Gemeinden ist Mann weniger halsbrecherisch unterwegs, sondern stärker auf Austausch ausgerichtet: In Rorschach findet im Winterhalbjahr einmal pro Monat zu einem gesetzten Thema der Männer-Apéro statt, 2019/20 etwa zu «Umgang mit Herausforderungen» oder «Selbstbestimmt in den Tod». Unter gleichem Namen und im gleichen Turnus treffen sich in Niederuzwil Senioren für Vorträge und Ausflüge. In Degersheim feiert das Männerforum bald seine 100. Zusammenkunft: Fragen zu Lebensthemen wie «Schuld und Vergebung» werden hier monatlich am Samstagmorgen auch mit Blick auf biblische Antworten diskutiert. Initiator Bert Rusch stellt fest, dass Männer eher auf Referenten verzichten und lieber eigene Meinungen austauschen. In Grabs trifft man sich seit über 15 Jahren am Männerstammtisch zum monatlichen Mittagessen. Dieses wird jeweils vom Input eines Pfarrers eingeleitet. Im Unteren Neckertal lernten die Männer gleich selber kochen, in Altstätten nächtigen sie monatlich in einer Hütte oder im Freien.

Unter Seinesgleichen
Wieso eigentlich Angebote nur für Männer? Sie tickten anders als Frauen und bräuchten wie diese ihre eigenen Räume, glaubt Matthias Bertschi. «Männer sind oft nicht so gesprächig wie Frauen, viele können sich in einer Männerrunde eher öffnen», meint nicht nur Thomas Gugger, der in Wil einen Männerhauskreis begleitet. Hanspeter Schwendener, Buchser Diakon, organisiert seit Jahren eine Segelwoche in Holland. Mit einem Profi-Skipper sind ein Dutzend Männer auf engem Raum unterwegs, teilen sich die anfallende Arbeit, geniessen Momente der Ruhe. Einmal mit einer gemischten Gruppe unterwegs, stellt Schwendener fest: «Wenn Frauen dabei sind, müssen manche Männer ständig zeigen, wie gut sie alles können.» 

Wertvolle Vertrautheit
Viele der angesprochenen Organisatoren berichten, dass aus den Jahren gemeinsamer Aktivitäten ein wertvolles Beziehungsnetz und Freundschaften entstanden sind. Das spürt in Rapperswil im Anschluss an das Hockeyspiel auch der Besucher beim Gang in die Beiz: Es wird gewitzelt und geneckt, aber der Umgang ist respektvoll – am «Stammtisch» spiegelt sich das Verhalten auf dem Spielfeld. Die Gespräche werden schnell ernsthaft und die Männer bestätigen: Es herrscht eine Vertrautheit, ein grosses Vertrauen, deshalb können sie sich in dieser Runde auch öffnen und über berufliche und private Krisen reden. Gerade diesen Aspekt von kirchlichen Angeboten für Männer heben viele Organisatoren als besonders wertvoll hervor. Männerarbeit füllt kaum Kirchenbänke, und sie braucht die richtigen personellen Voraussetzungen und Bedürfnisse vor Ort – aber sie kann für Männer wertvolle Zeit und Räume schaffen. 

 

Text: Philipp Kamm | Foto: pka und Gianni Crestani   – Kirchenbote SG, Juni-Juli 2019

 

Männerkirche in Zahlen

«Die Kirche ist weiblich – sie ist ‹die› Kirche, nicht ‹der› Kirche», sprach 2015 Franziskus, der 265. Nachfolger Petri, der 266. männliche Papst. Das war natürlich auf spiritueller Ebene zu verstehen, nicht mit Blick auf die geweihten Repräsentanten der katholischen Kirche. Auch auf reformierter Seite sehen manche das kirchliche Leben als eher weiblich geprägt – einige warnen, dass dies die Männer abschrecke. Gottfried Locher, 12. SEK-Präsident (und 12. Mann im Amt) problematisierte die «Feminisierung der Kirche». Muss Mann sich sorgen um seinen Platz in Kirche und Amt? 

Präsidien in Männerhand
Einige Zahlen: Von den 26 Mitgliedskirchen des SEK werden aktuell 23 von Männern präsidiert. In St. Gallen füllen sie 4 der 7 Kirchenratssitze und hatten immer das Präsidium inne. In der Synode sind sie mit 87 gegen 90 knapp in der Minderheit, dafür stellten sie 8 der letzten 10 Synodepräsidien. Stand 1. April 2019 sind in den Gemeinden des Kantons zwei Drittel (65 von 96) der Pfarrpersonen männlich. Sie amten in 5 von 6 (Vize-) Dekanaten und präsidieren alle 3 Pfarrkapitel.

Ausgeglichene Diakonie
Die im Amtsbericht 2018 aufgeführten 66 sozialdiakonischen Stellen sind genau zur Hälfte männlich besetzt. Männer stehen 33 von 40 (83%) St. Galler Kirchgemeinden als Präsidenten vor. Nach der Gesamterneuerungswahl 2018 sind in 9 von 40 (23%) Kirchen- vorsteherschaften die gewählten Mitglieder mehrheitlich Männer, in 23 (58%) stellen sie die Minderheit (in 3 Gemeinden sogar als Einzelexemplar), in den restlichen 7 die Hälfte. Laut Adresslisten der zentralen Dienste liegt die Ressortverantwortung für Familie und Kinder zu einem Drittel in Männerhänden, bei der weltweiten Kirche zur Hälfte, bei den Liegenschaften zu 94%, während 0% der Sekretariatsadressen auf einen Mann lauten. 2018 betraf die Hälfte (724 von 1445) aller Austritte erwachsene Männer. 

Und der Nachwuchs? 359 der 745 Täuflinge waren Jungs. Welche Zahlenverhältnisse werden sie wohl am Ende ihres Lebens (bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 81 Jahren, also im Jahr 2100) antreffen? Welches Geschlecht wird die Kirche des 22. Jahrhunderts haben? (pia)


Von roundabout SG-APP (Rahel Schwarz) erfasst am 14.09 2018 11:50

Danke!

Vielen Dank für die Veröffentlichung des Artikels. Wir freuen uns über jedes interessierte Mädchen, über neue Partnerorganisationen oder Workshop-Anfragen. Freundliche Grüsse Rahel Schwarz kantonale Leiterin roundabout SG-APP

Von Anja Knöpfli erfasst am 20.11 2021 20:59

Taufbestätigung

Die Kantonalkirche ist Teil der Evangelisch-Reformierten Kirche Schweiz (Abgekürzt EKS). Diese empfiehlt allen Kantonalkirchen die Taufbestätigung oder Taufferinnerung zu feiern (Kap. 4.4 in der eigenen EKS Broschüre Tsufe in evangelischer Perspektive). Es ist eine Amtshandlung sogar in der Evangelischen Landeskirche Thurgau. https://eks.marc.beta.cubetech.ch/wp-content/uploads/2019/11/biblische_aspekte_taufe_de.pdf Leider wurde mir aber die Taufbestätigung schon verweigert n der Kantonalkirche St.Gallen von einem Pfarrer dieser, da ich Bisexuell bin und es wurde kein Stellvertreter organisiert! Leider hast du anders als im Thurgau kein Recht darauf, da es nicht in der Kirchenordnung von St.Gallen vorkommt! Wer Taufbestätigung auch kennt ist die überregionale Metal Church!

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