News aus dem Kanton St. Gallen

«Die Unsicherheit ist da»

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26.03.2020
Das Corona-Virus stellt die Spitäler vor schwierige Aufgaben. Spitalseelsorgerin Leni Hug zur Verunsicherung bei Patienten, Angehörigen und Pflege.

Leni Hug, wie beeinflusst dasCorona-Virus die Arbeit im Spital?
Unter den Mitarbeitenden ist eine enorme Wertschätzung und Solidarität spürbar. Man kommt mit Leuten ins Gespräch, die man sonst kaum wahrnimmt. Mit bewundernswerter Professionalität und Sorge werden Vorkehrungen getroffen im Wissen, dass immer mehr Patienten mit schweren COVID-19-Infektionen auf die Spital- und Intensivbehandlung angewiesen sein werden und es vermehrt Todesfälle geben kann. Wir überlegen uns, was im Ausnahmezustand wohl wichtig sein wird und wie wir uns mit den begrenzten personellen Möglichkeiten optimal organisieren können. Dabei begleitet uns -ständig die Unsicherheit, wie es tatsächlich sein wird und ob genügend Kapazität da ist. 

Da braucht es jetzt die Mithilfe der ganzen Bevölkerung?
Ja, umso mehr ärgert man sich darüber, dass es noch Leute gibt, welche die Gefahr herunterspielen und aus Dummheit sich nicht an die Empfehlungen halten. Jetzt gilt es, alles daran zu setzen, eine explosionsartige Ausbreitung zu verhindern. Da ist jeder Einzelne angesprochen.

Wie sieht Ihre Arbeit zurzeit -konkret aus? 
Unsere Arbeit ist im Moment noch nicht anders als sonst – ausser, dass wir im Haus ständig mit Schutzmaske herumlaufen und Distanz halten müssen. Vor dem Haupteingang kontrollieren Leute vom Zivilschutz. Wir müssen uns ausweisen. Es ist eigenartig, wie still es plötzlich vor dem Spital ist. Wir treffen vermehrt Menschen, die existenziell betroffen sind, und erleben eine grosse Offenheit und viel Gesprächsbedarf. 

Und wie sieht es in zwei, drei Wochen aus?
Die Spitalseelsorge ist im Careteam der Solothurner Spitäler eingebunden. Wir müssen uns vermutlich stärker auf Notfalleinsätze konzentrieren und haben weniger Zeit für all die anderen Patienten. 

Sind die Patienten verunsichert?
Ja, die Verunsicherung ist da. Allerdings bereitet vielen Patienten der Besuchsstopp mehr Mühe als die Gefahr einer Ansteckung mit dem Virus, gerade wenn sie älter sind und länger im Spital bleiben müssen. Ein Spitalaufenthalt ist eine Ausnahmesituation. Ohne den direkten Kontakt mit Angehörigen und Freunden nimmt die Verunsicherung zu.

Auch bei den Angehörigen?
Die Angehörigen sind besorgt um ihre Liebsten im Spital. Auch ihnen macht vor allem die starke Besuchsbeschränkung zu schaffen. Es ist jetzt umso wichtiger, dass das Personal gut informiert. 

Alle reden von den Erkrankten, seltener vom Pflegepersonal. 
Die Pflegenden sind wirklich Heldinnen und Helden. Sie bleiben in dieser angespannten Situation ruhig, freundlich und professionell. Und dies, obwohl sie auch privat stark belastet und gefordert sind. 

Inwiefern?
Ich denke da an den alleinlebenden Pfleger, der sich fragt, wie er seine sozialen Kontakte pflegen kann, wenn alles geschlossen ist. Oder an die Mitarbeitende, deren Herkunftsfamilie im Ausland lebt, und an all die Grenzgängerinnen und Grenzgänger in der Region Dornach, die sich neu organisieren müssen, wenn sie ihre Familien sehen wollen.

Was raten Sie den Angehörigen?
Sie sollten wissen, dass die Angestellten in den Spitälern alles unternehmen, damit die kranken Menschen medizinisch professionell und menschlich betreut werden. Die strenge Besuchsbeschränkung dient dem Schutz von allen. Und ein Telefonanruf kann viel bewirken. 

Leni Hug ist Bereichsleiterin der ökumenischen Spitalseelsorge in den Solothurner Spitälern und Seelsorgerin am Kantonsspital Olten

 

Tilmann Zuber, 26. März 2020

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