News aus dem Kanton St. Gallen

40 Jahre Zahlen verbucht

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20.07.2020
Einer der Dienstältesten tritt zurück: Ernst Gerber war vier Jahrzehnte lang Kirchenpfleger in Gachnang. Im Rückblick spricht er über die Herausforderungen eines anspruchsvollen Amtes, das er nun mit einem guten Gefühl abgibt.

Gerade einmal 29 Jahre alt war Ernst Gerber, als er die Stelle als Kirchenpfleger der Kirchgemeinde Gachnang übernahm. «Falls ihr niemand anderen findet, mache ich es», sagte er, als er von der Vorsteherschaft angefragt wurde. Im Nachhinein war er froh, das Amt angetreten zu haben. «Ich habe in dieser Zeit sehr viel dazu gelernt, obwohl ich beruflich ebenfalls mit Zahlen zu tun hatte», sagt der ehemalige Banker. So wurde er am 1. Juni 1980 als Kirchenpfleger gewählt und hat in den vergangenen 40 Jahren vier Präsidenten der Kirchenvorsteherschaft miterlebt. Eine Konstanz während dieser Zeit war Pfarrer Christian Herrmann, der dieses Jahr nach 35 Jahren ebenfalls sein Amt abgibt. «Er wollte gleichzeitig mit mir aufhören», sagt Gerber über Herrmann, mit dem er sehr gut harmoniert habe. «Wir haben dasselbe Denken und dieselbe Einfühlsamkeit. Auf diese Weise haben wir voneinander profitiert.» Diese befruchtende Beziehung war mit einer der Gründe, warum Gerber so lange motiviert bei der Sache war.

Von Schreibmaschine zu PC
Ein weiterer Grund war sein Flair für Zahlen und für finanzielle Belange der stetig wachsenden Kirchgemeinde. Umso komplexer wurde auch die Buchhaltung. «Ich habe drei verschiedene Arten der Buchhaltung geführt», erläutert Gerber. «Die erste von 1980 bis 1991 bestand aus Kontenblättern, auf denen man Soll und Haben zusammenzählte, den Abschluss machte, die Bilanz und Erfolgsrechnung darstellte – alles noch von Hand». Er zeigt auf seine alte Schreibmaschine, mit der er damals die Kontenblätter vorgeschrieben hat. Von 1992 bis 2018 führte er die Buchhaltung auf dem PC mit dem Programm HRM1. Als die Umstellung auf HRM2 für 2019 angekündigt wurde, überlegte Gerber erstmals, sich aus der Vorsteherschaft zurückzuziehen. «Das wäre jedoch mitten in einer Amtsperiode gewesen. Ausserdem wollte ich nicht, dass sich eine nachfolgende Person als erstes mit einem neuen Buchhaltungssystem befassen muss.» Also absolvierte er die Ausbildung, die er als komplex und herausfordernd bezeichnet. Nicht wegen der Buchungssätze, die beherrscht er spielend, sondern wegen der Umsetzung am Computer.

«Wie sollen wir das verkaufen?»
So vielfältig wie die Buchungsarten waren auch die Geschäfte, die die Kirchgemeinde finanziell umzusetzen hatte. «Von 1983 bis heute wurden rund vier Millionen Franken in die Liegenschaften investiert. Das sind nur die grössten Posten», sagt Gerber. Der Neubau des Kirchgemeindehauses 1989 ist ihm in unguter Erinnerung geblieben. Der Bau geriet in die Hochzinsphase und der ursprüngliche Kostenvoranschlag wurde massiv überschritten. Das sei eine kritische Zeit gewesen, da der Steuerfuss von 19 auf 22 Prozent erhöht werden musste. «Ich habe mich gefragt, wie wir das den Stimmberechtigten verkaufen sollen und ob wir das finanziell stemmen können.» Schönere Erinnerung hat er an die «abenteuerlichen» Konfirmandenreisen nach Rumänien. Sechsmal hat er als Fahrer zusammen mit Pfarrer Herrmann gut 14 Jugendliche während der Sommerferien in dessen ehemalige Heimat begleitet. Künftig wird er etwa beim Kerzenziehen als helfende Hand anzutreffen sein. Dass er sich an der kirchlichen Gemeinschaft beteiligt, ist ihm weiterhin ein grosses Anliegen.


(Claudia Koch)

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