News aus dem Kanton St. Gallen

Kirchen wollen Pilgerstiftung mehr prägen

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20.07.2020
Die Pilgerstiftung ist im Aufbruch: Die Landeskirchen wollen mehr Einfluss nehmen in der Flüchtlingsbetreuung. Seit der Gründung tragen sie die Verantwortung gemeinsam mit dem Kanton. Nun schaffen sie neue Strukturen.

Besser bekannt ist die Organisation, die im Thurgau seit 1985 vom Kanton beauftragt ist, Asylsuchende zu betreuen, unter ihrem eigentlichen Namen Peregrina-Stiftung. Der Name lehnt sich an den fremdsprachlichen Begriff Peregrinus/Peregrina – Pilger(in) oder Fremde(r) – an. Der Kanton gründete die Stiftung zusammen mit den beiden Landeskirchen. Die Struktur war seither unverändert. Die Erfordernisse der Zeit haben den Stiftungsrat aber zum Handeln veranlasst.

Zu weit weg vom Operativen
Der evangelische Kirchenratspräsident Wilfried Bührer war 15 Jahre Präsident der Stiftung und hat sein Amt nun in die Hände seines katholischen Amtskollegen Cyrill Bischof übergeben (Interview mit Cyrill Bischof lesen). Ihm ist wichtig, «dass auch Kirche drin ist, wo Kirche drauf steht». Bei der Analyse habe der Stiftungsrat realisiert, dass die Landeskirchen gemäss ihrem Auftrag des Kantons zwar grosse Verantwortung trügen, dafür jedoch nicht genügend nahe am operativen Geschehen dran sind. Grund dafür war die heute unübliche dreiteilige Organisationsstruktur: Zwischen operativer Leitung und Stiftungsrat stand noch eine Verwaltungskommission mit weitreichenden Kompetenzen, die nun aufgehoben wird. Die Kirchen hatten nur ein Delegationsrecht in den Stiftungsrat, der lediglich mit der Oberaufsicht betraut war. «Es war nicht so einfach, die kirchlichen Anliegen einzubringen.»

Verantwortung wahrnehmen
Bührer erklärt im Rückblick, dass die Aufgaben stetig zugenommen hätten: So sei die Anzahl bewilligter Asylgesuche gestiegen, weshalb die Integration immer stärker in den Fokus gerückt sei. Hinzugekommen seien die Problematik von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und die Tatsache, dass die Stiftung die zentrale Beistandschaft übernehmen musste. In der Herbstsynode 2019 kam Kritik an der Nothilfestrategie des Kantons auf. Der Synodale Hans Peter Niederhäuser forderte von der Landeskirche ein Entgegenwirken im Sinne eines christlichen Ethos. Bührer betont, dass die Kirchen dank der neuen Struktur ihre Verantwortung nun besser wahrnehmen könnten. Im Übergangsjahr werden für den neuen Präsidenten Cyrill Bischof 20 Stellenprozente genehmigt, bisher erfolgte die Tätigkeit ehrenamtlich. Eine Organisationsberatung begleitet den Prozess.

«Unruhe und Know-how-Verlust»
Thomas Bachmann, der jahrelang Präsident der Verwaltungskommission war, kann die Aufhebung der Kommission nicht nachvollziehen: «Über den Stiftungsrat konnten die Landeskirchen auch in der Vergangenheit so viel Einfluss nehmen, wie sie wollten», sagt er. Nun würden die bisherigen Strukturen aufgelöst, bevor neue bereit sind. Das bringe sehr viel Unruhe und unnötige Know-how-Verluste mit sich. Hinsichtlich der Kritik betont Bachmann, dass sich die Peregrina-Stiftung stets im Rahmen der bundes- und kantonsrechtlichen Vorgaben bewegen müsse. Vielen Kritikern, die ihre Frustration an den Organen und Mitarbeitenden der Stiftung ausliessen, sei wohl nicht klar, wie eng die Handlungsspielräume seien. «Hier ist sicher auch der Stiftungsrat gefordert, indem er sich einerseits vor das Personal stellen und andererseits eine Gesprächsplattform schaffen sollte, die einen konstruktiven Austausch ermöglicht.»


(Text: Roman Salzmann / Cyrill Rüegger)

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