News aus dem Kanton St. Gallen

Das Wort Gottes in sich hineinlassen

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29.03.2021
Spannend, informativ, aus dem Leben gegriffen: Die Predigtreihe über christliche Mystik von Pfarrer Peter Hofmann kommt gut an. «Reformiert GL» hat reingehört.

«So sollte eine Predigt sein. Direkt aus dem Leben. Das gibt mir viel.» Diese Rückmeldung eines Mannes ist nicht die einzige, die Pfarrer Peter Hofmann nach dem sonntäglichen Gottesdienst in Schwanden hört. Seine Predigtreihe über christliche Mystik bewegt die Menschen. Man hört die Lebensgeschichten von bekannten, teils auch unbekannten Personen, erfährt viel über ihren Glauben und was sie mit Gott – und auch der Kirche – erlebt haben. Interessant und lebensnah aufbereitet.

Spiritualität im atheistischen Umfeld

Bei unserem Besuch steht Madeleine Delbrêl im Zentrum. Die 1904 geborene französische Sozialarbeiterin, die in einem Vorort von Paris ein christliches Sozialzentrum aufgebaut hat, fasziniert den Dekan: «Ihre Spiritualität hat sie in einer atheistischen Umwelt entwickelt und gelebt, überzeugend und mit einer rechten Portion Fantasie und Humor.»

Im Gottesdienst zeigt er vor allem ihr Wirken als Poetin und Mystikerin auf, beispielsweise am Text «Fahrrad-Spiritualität». Einige Gedanken daraus: «Wie das Velo selber in Fahrt bleiben, doch sich dabei aufrecht halten. - Wie das Velo selber in Fahrt bleiben, selbst wenn unsere Trägheit verweilen möchte. - Immer weiter! Sagst du zu uns in allen Kurven des Evangeliums, um die Richtung auf dich zu behalten.»

Im Glauben inneres Gleichgewicht gefunden

Madeleine Delbrêl drückt ihre Gotteserfahrungen, ihre Begegnungen mit Christus mitten in einem atheistischen Milieu in einer alltagsnahen und konkreten Sprache aus. Im christlichen Glauben findet sie ihr inneres Gleichgewicht. In einer schweren persönlichen Krise schreibt sie als 20-Jährige: «Lesend und nachdenkend habe ich Gott gefunden. Aber betend habe ich geglaubt, dass Gott mich gefunden hat, dass er die lebendige Wahrheit ist, die man lieben kann, wie man eine Person liebt.»

Die moderne Mystikerin, die elf Tage vor ihrem 60. Geburtstag an einem Schlaganfall verstorben ist, ermuntert zu einem alltagsnahen, fantasievollen Glauben. «Für sie ist der Alltag nie banal», sagt Peter Hofmann: «Die Velofahrt wird wie anderes im Alltag zu einem Gleichnis für das Geheimnis des Glaubens an die Kraft, die das Universum regiert.»

«Was kann ich von dieser Frau lernen? Das Wichtigste: Das Wort Gottes in sich hineinlassen – mitten im modernen Leben.»

Mit eigenen Augen schauen

Wie kam er auf die Idee der Predigtreihe? Wenn er bei Abdankungen ein gelebtes Leben im Horizont der christlichen Tradition und Symbolik deute, merke er immer wieder, dass sich Menschen mit den unterschiedlichsten Lebenseinstellungen von diesen Deutungen ansprechen liessen und daran bedienen könnten, so der Pfarrer. Deshalb habe er sich überlegt: «Wenn ich aus dem Leben von christlichen Mystikerinnen und Mystikern erzähle, werden die Predigthörer ganz ähnlich davon profitieren können.»

Er möchte den reformierten Menschen, die in die Kirche kommen, ins Bewusstsein rufen, «dass es da Menschen bis in die heutige Zeit gab (und gibt!), die der Sehnsucht nach Gott einen konkreten Rahmen geben». Dies könne ein kleiner Beitrag sein, «die innere Krise des Glaubens zu überwinden, in der sich unsere Kirche seit dem Zusammenbruch der grossen Theologien des 20. Jahrhunderts befindet». Die Erfahrungen von Mystikern ermutigten uns, Gott nicht vom Hören-Sagen her zu kennen, sondern mit eigenen Augen zu schauen.

Offen ist, wie viele Predigten es geben soll. Ein Höhepunkt wird der festliche Choralgottesdienst zum Jubiläum «80 Jahre Jakob & Dorli Strebi» sein, geplant für August oder September: «Da drängt sich ein eindrückliches Gebet des Geigers Yehudi Menuhin auf – Mystik bei einem Musiker.»

Madeleine Kuhn-Baer, Medienbeauftragte