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Kirche

«Sendschreiben» von Christina Aus der Au

19.05.2021
Was betrachten die Kandidierenden fürs Kirchenratspräsidium als Stärken der Thurgauer Kirchgemeinden? Wo machen sie Potenzial aus, und was dürfen die Gemeinden von ihnen erwarten? Im Auftrag des Kirchenboten hat Christina Aus der Au ein kurzes Schreiben an die Gemeinden der Evangelischen Landeskirche Thurgau verfasst. Als Inspiration dienten die Sendschreiben, in denen Johannes sieben frühchristliche Gemeinden ermahnt und ermutigt hatte. (Offenbarung 2/3)

«Die Sendschreiben in der Offenbarung sind in wunderbar poetischer Sprache verfasst, und so habe ich mich sprachlich an diese Vorlage gehalten, auch wenn es vielleicht etwas fremd klingt:

Ein Brief der Kandidatin für das Kirchenratspräsidium an die Evangelische Landeskirche Thurgau mit ihren Gemeinden:

Liebe Evangelische Landeskirche Thurgau, ich kenne Deinen Reichtum, ich weiss um Deine engagierten Mitglieder und Deine Hauptamtlichen. Ich habe Deine lebendigen Kirchgemeinden gesehen und Deine kreativen Projekte, ich habe die liebevolle Gemeinschaft in den Kleingruppen gespürt und das Lachen und Feiern in den gemeinsamen Gottesdiensten. Ich habe Deine Predigten gehört und Deine Musik, ich freue mich an Deiner Präsenz vor Ort und den persönlichen Beziehungen, die dort leben und tragen. Ich schätze dies hoch, und ich möchte Dir den Rücken freihalten, damit diese Arbeit weiterhin blüht und Früchte trägt.

Aber ich sorge mich, weil Du ja nicht nur aus denjenigen bestehst, die sich auf diese Art engagieren und beteiligen. Lange bevor es organisierte Kirchgemeinden gab, haben Menschen die frohe Botschaft geteilt und gelebt. Auch jenseits der Kerngemeinden setzen sich Menschen ein für menschenwürdiges Leben in Frieden und Gerechtigkeit in und mit der Schöpfung. Auch sie gehören zu Dir. Nicht unsere Strukturen und Beteiligungen machen die Kirche zum Leib Christi, sondern allein Gottes Zuwendung, seine Gnade und die Gegenwart seines Geistes in und mit uns.

Als Kirchenratspräsidentin würde ich Dich darin unterstützen wollen, auch diese andere Seite wahrzunehmen und zu leben, Dein Denken und Deinen Glauben zu weiten, damit Du nicht nur in der Kirchgemeinde, sondern mitten in der Gesellschaft präsent bist und wirkst, nahe auch bei den Menschen, die aus der Kirche geflohen sind, weil ihnen dort die Sprache widerstrebt und das Denken über Gott zu eng ist. Ich würde Dich als Kirche im Gegenüber auf Augenhöhe mit Wissenschaft, Politik und Wirtschaft stärken und so auch den Respekt und die Gesprächsbereitschaft derjenigen, die Dich als distanzierte Mehrheit stets mittragen.

Liebe Kirche, sei gelassen und heiter, und vertraue getrost darauf, dass der lebendige Gott ganz und gar Mensch geworden ist, vielfältig, lebendig und bunt. Dieser Gott hat auch Deine Füsse auf weiten Raum gestellt. Lebe im Vertrauen auf den lebendigen Gott in dieser Freiheit, und Du wirst keine Enge und keinen Mangel kennen, sondern Freude und Hoffnung ausstrahlen in alle Ecken und Enden der Gesellschaft hinein.» (Christina Aus der Au)


Lesen Sie hier das «Sendschreiben» von Gegenkandidat Paul Wellauer.

Lesen Sie hier das Interview mit den beiden Kandidierenden fürs Kirchenratspräsidium.

 

Kurz und knapp


Wie steht Christina Aus der Au zu den folgenden fünf Herausforderungen im kirchlichen Umfeld? Für die Antworten standen jeweils 280 Zeichen zur Verfügung.

Aussicht auf sinkende Kirchensteuereinnahmen
«Nicht darauf starren wie das Kaninchen auf die Schlange, sondern gelassen und einladend für viele Kirche sein, in der Gesellschaft präsent sein, sie mitgestalten und die frohe Botschaft lebendig und fröhlich so verkünden, dass sie gehört und verstanden wird»

Politisches Engagement der Kirche (z.B. Konzernverantwortungs-Initiative)
«Unbedingt dort, wo das Menschsein und die Schöpfung in Gegenwart und Zukunft betroffen sind. Aber nicht mit Positionsbezug, sondern als Plattform für eine Auseinandersetzung, bei der sich Menschen mit unterschiedlichen Positionen aufmerksam und wertschätzend begegnen.»

Thema «Ehe für alle» und sein innerkirchliches Spaltungspotenzial
«Auch hier: respektvoll und achtsam hinhören. Sich einlassen auf die vielfältigen Lebensgeschichten, Verletzungen und Sehnsucht. Und darauf vertrauen, dass die Liebe Gottes, des Schöpfers und des Versöhners, viel grösser ist, als wir es uns vorstellen können.»

Fusionsdruck für Kirchgemeinden
«Druck geht gar nicht. Eine Zusammenarbeit oder gar Zusammenlegung von Gemeinden kann sinnvoll sein, vor allem, wenn daraus Neues entstehen kann. Es geht aber nur dann, wenn es sorgfältig und in guten Gesprächen vorbereitet wird, in denen aus Betroffenen Beteiligte werden können.»

Kirche der Zukunft
«Unsere Kirchgemeinden sind kirchliche Orte, an denen viele Heimat finden. Darüber hinaus entstehen andere Formen, übergemeindlich, digital, ortsunabhängig, in neuer Sprache und mit neuen Zugängen – geleitet vom Geist dessen, der ist, der war und der kommt. Fürchtet euch nicht.»