News aus dem Kanton St. Gallen

«Hier geht der Himmel über dir auf»

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25.05.2021
Kati Rechsteiner präsidierte den Sonntagschulverband für sechs Jahre. Nun liegt der Ball bei Marianne Siffert. Wir haben nachgefragt, was die heutige Sonntagsschule Kindern und Eltern bietet.

Kati Rechsteiner, wie steht es um die Sonntagsschulen in der reformierten Kirche?
KR: Spannend! Es gibt so viele verschiedene Formen und Treffmöglichkeiten, die jeweils auf die betreffende Kirchgemeinde zugeschnitten sind. Ob sonntags oder werktags, blockweise, wöchentlich, projektbezogen oder «eifach zum Cho». Viele dieser Angebote laufen unter dem Begriff «Kolibri».

Hat die traditionelle Sonntagsschule am Sonntagvormittag demnach ausgedient?
MS: Für getrennt lebende Eltern, deren Kinder am Wochenende zum andern Elternteil gehen, ist der Sonntagmorgen nicht ideal. Davon abgesehen ist der Sonntagmorgen am ehesten frei von Trainings, Vereinsaktivitäten und Verpflichtungen. Grundsätzlich sollten jedoch alle Kirchgemeinden sehr offene Augen und Ohren haben. Wenn in ihrer Situation die Sonntagsschule am ehesten unter der Woche über Mittag besucht wird: Zmittag mit Kindergottesdienst anbieten!
KR: Heute sind alternative Formen gefragt, die für den jeweiligen Ort stimmig sind. Ob es dann quartalsweise rund um Ostern, Pfingsten, Erntedank und Weihnacht passt oder traditionell jede Woche eine biblische Geschichte erzählt wird, spielt keine entscheidende Rolle. Entscheidend ist, dass wir immer wieder angepasste Formen finden, unsern Glauben durch Geschichten an die nächsten Generationen weiterzugeben.

Es gibt immer weniger reformierte Kinder. Wie wirkt sich das auf die Sonntagsschule aus?
KR: Nicht dramatisch. Die Konfession der Kinder beziehungsweise deren Eltern spielt in meinen Augen keine Rolle, denn die Sonntagsschule steht allen Kindern offen. Die Nachfrage hat schon immer variiert und wird das weiterhin tun.
MS: Das ist nur dann wirklich ein Problem, wenn nur ein oder zwei Kinder kommen, sodass zum Beispiel das gemeinsame Singen keine Freude macht. Aber schon vier oder fünf Kinder können es zusammen sehr spannend und lustig haben.

Dann sollen auch kleiner werdende Kirchgemeinden Sonntagsschule anbieten?
KR: Ja, das lohnt sich, auch bei kleinen Zahlen. Wenn wir aufhören, uns für die Kleinsten zu engagieren, wird das mit voller Wucht auf uns als Kirche zurückfallen, weil uns die nachrückende Generation fehlt. Ein Beispiel aus einer kleinen Kirchgemeinde zeigt, dass es sich lohnt dranzubleiben: Mangels Kindern und Leitenden wurde die Sonntagsschule vor ein paar Jahren eingestellt. Dann wurde sie wieder ins Leben gerufen. Zuerst kamen drei Kinder. Mit der Zeit sprach es sich in den Dörfern herum, und zwei Monate später waren schon zehn Kinder dabei. Sogar in der Schule wird über die« coolen Geschichten aus der Sonntagsschule» berichtet, was weitere Kinder anspricht. Wir hoffen, dass diese Freude weitere Kreise zieht.
MS: Unbedingt! Es geht um unseren Nachwuchs. Und dann geht es ja auch um die Eltern: Erwachsene, die von sich selber sagen, dass sie nicht glauben können, sind eine Zeit lang offener für mystische Momente, wenn sie kleine Kinder haben. Das habe ich oft beim «Fiire mit de Chliine» erlebt: Eltern und Grosseltern nehmen da gerne teil.

Wie können Gemeinden Eltern ermutigen, ihre Kinder in die Sonntagsschule zu schicken?
MS: Ich glaube, viele Eltern möchten ihre Kinder religiös erziehen, wissen aber nicht recht, wie sie das tun könnten. Die Kirchen bieten ihnen mit Angeboten für Kinder eine wertvolle Hilfe dazu an. Damit vermitteln sie den Eltern: Wir sind für euch und eure Kinder da. Wir unterstützen euch. Das kann zur Teilnahme ermutigen.
KR: Sie können die Kinder zum Beispiel konkret in die kantonal organisierten Summercamps einladen, die in der zweiten Sommerferienwoche stattfinden. Dort erleben dieses Jahr voraussichtlich knapp 100 Kinder und Teammitglieder in drei nach Altersklassen eingeteilten Camps eine tolle Woche voller Gemeinschaft, Spiele, Action und biblischer Geschichten.

Gibt es noch genügend Sonntagsschulleiterinnen und -leiter im Kanton Schaffhausen?
KR: Das ist sehr unterschiedlich. An einigen Orten hat es vor allem langjährige Mitarbeitende oder dann Junge, die selber in der Sonntagsschule waren und sozusagen hineingewachsen sind. Und an manchen Orten gibt es zu wenig Leitende.
MS: Es geht den Kirchen wie allen Gruppierungen: Es ist nicht einfach, Menschen für ein freiwilliges Engagement zu finden!

Wer ist geeignet, um Sonntagsschule zu geben?
KR: Für mich persönlich sind Personen gut dafür geeignet, deren Herz für Kinder schlagen, die gerne biblische Geschichten erzählen und sich gerne damit auseinandersetzen. Wenn sich nun jemand beim Lesen unseres Interviews denkt: «Wäre das vielleicht etwas für mich?», dann würde ich sagen: Nur zu, meldet euch beim Ortspfarramt oder beim Sonntagschulverband! Und dann schauen wir, ob und wie es passt.
MS: Sie oder er hat ein feines Gespür für die Fragen, Anliegen und Nöte der Kinder und gibt den Kindern zu spüren: «Hier ist es gut, hier geht der Himmel über dir auf. Bei Gott dürfen alle so sein, wie sie sind.»

Was macht den Kern der heutigen Sonntagsschule aus?
KR: Der Kern ist für mich immer – egal ob Sonntagsschule, Projekt oder Camp –, dass das, was man vom Glauben zu hören bekommt, etwas mit dem eigenen Alltag, mit dem eigenen Leben zu tun hat. Eine Sonntagsschullehrerin erzählte mir Folgendes: «Ich habe bei den Kindern festgestellt, dass sie es sehr geniessen, einfach einmal so sein zu können, wie sie sind. In der Sonntagsschule gibt es keine Noten, keinen Leistungsdruck.» In einer lebendigen Sonntagsschule werden Geschichten aus der Bibel kindgerecht erzählt und erklärt, und beim Singen, Malen, Basteln und Spielen ist für jedes Kind etwas dabei.
MS: Die Kinder stehen heute tatsächlich bereits in ganz jungen Jahren unter einem grossen Leistungsdruck. Sich davon befreit zu fühlen, ist ein Menschenrecht. Schon für die Kinder gilt das Wort Jesu: «Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch die Last abnehmen.» In der Sonntagschule haben die Kinder die Chance, das zu erleben.

Interview: Adriana Di Cesare

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