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Kirche

Ein Säuli essen – der perfekte Skandal

28.03.2022
In der Schweiz ging das Signal für die Reformation durch den Magen. In Zürich brach man das Fasten 1522 mit einer Wurst, in Basel ass man ein ganzes Säuli.

In Basel war das herausragende Ereignis am Palmsonntag, 13. April 1522, der Spanferkelschmaus im Klybeckschlösschen. Geladen waren Priester, Studenten und humanistisch gesinnte Laien. Die Geistlichen betonten dabei, sie hätten kein Gebot übertreten, sondern nur die einem Christenmenschen zustehende evangelische Freiheit in Anspruch genommen. Die Festteilnehmer betrachteten das Brechen des Fastengebots bewusst als eine Provokation, die gleichsam nach einer Stellungnahme rief.

Erasmus war kritisch
Erasmus von Rotterdam war der erste. Er äusserte sich sehr kritisch zur geltenden Fastenordnung. Gleichzeitig verurteilte er das Spanferkelessen am Palmsonntag als eine willkürliche Ausserkraftsetzung kirchlicher Vorschriften.

Der Bischof von Basel, seit der Einsetzung eines Bürgermeisters im Jahr 1521 ohne Berechtigung, sich in politische Fragen einzumischen, machte von seinem geistlichen Weisungsrecht Gebrauch und warf den Geistlichen vor, die Ordnung der Kirche zu vernichten und daher Aufruhr zu wecken.

Abgehalten wurde dieses Mahl im Klybeckschlösschen. Eine herausragende Gestalt auf Schloss Klybeck war Simon von Aug, genannt Steinschneider. Er besass das Schloss ab 1513 und inszenierte als Freund reformierter Ideen zu Palmsonntag 1522 den besagten Spanferkelschmaus.

Das Signal zum Aufbruch
Neben dem reformiert gesonnenen Spitalgeistlichen Wolfgang Wissenburg nahmen auch der Kaplan von St. Martin, Bonifatz Wolfahrt, und der westfälische Humanist Hermann von dem Busche an dem Mahl teil. Wissenburg und Wolfahrt sorgten damals als Dozenten an der Universität Basel für Unruhe, weil sie energisch Reformen und einen Rektor nach ihrem Willen forderten. Die illustre Gesellschaft schuf den perfekten Skandal. Das Spanferkelessen warf dermassen hohe Wellen in Basel, dass der Gastgeber und Schlossherr vermutlich wegen des Aufsehens die Stadt Basel schon bald danach verliess und Klybeck verkaufte. Steinschneider fuhr allerdings fort die Ideen der Reformation zu verfechten. Er geriet bei einer Reise durch das Elsass in die Hände der katholischen Geistlichkeit. Angeklagt der Blasphemie wider die Sakramente und der Jungfrau Maria, wurde er am 22. Februar 1523 in Ensisheim gevierteilt und verbrannt.

Der Spanferkelschmaus war nicht nur ein Skandal, er war ein Signal für den Aufbruch, dem weitere folgten, bis sich die Reformation 1529 auch auf der Landschaft durchsetzte.

Markus B. Christ, Pfarrer und ehemaliger Kirchenratspräsident der reformierten Kirche Baselland

Weggottesdienst der Kirchgemeinde Kleinbasel zum Thema «Gesetz – Freiheit – Toleranz»: Samstag, 9. April, Start: 17 Uhr bei der Tramstation Ciba. Gestaltung: Christine Christ-von Wedel, Historikerin, Pfarrer Urs Joerg und Pfarrer Philipp Roth.

Reformation auf der Landschaft
1523: Stephan Stör, Pfarrer von Liestal, erhält 1523 die Bewilligung zur Hochzeit mit seiner Haushälterin, mit der er vier Kinder hat.

1525: Nach einem unblutigen Aufstand erhalten die Bauern die sogenannten Freiheitsbriefe, die ihre Forderungen vor allem im materiellen Bereich erfüllen.

1527/28: Es kommt zu Bilderstürmen. Der Basler Reformator Johannes Oekolampad wendet sich daraufhin in einem Hirtenbrief an 13 Pfarrer der Landschaft und an vier des bischöflichen Gebiets, welche das Evangelium verkündeten.

1529: Die Reformation setzt sich auch auf der Landschaft durch. Am 1. April liegt die Reformationsordnung für Stadt und Landschaft vor.