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Das Kulturgut der biblischen Geschichten retten

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04.01.2023
Gut 80 Religionslehrpersonen unterrichten in den Baselbieter Schulen rund 12000 Kinder pro Jahr. Der neu gegründete Konvent verhilft ihrer Berufsgruppe zu mehr Gewicht.

Im Mai 2022 haben die Religionslehrpersonen der reformierten Kirche Baselland den Katechetikkonvent gegründet. Er ist neben dem Pfarr- und Diakoniekonvent der jüngste und mit rund 80 Mitgliedern der grösste. Mit der Gründung des Konvents sind die Religionslehrpersonen den anderen kirchlichen Berufsgruppen rechtlich gleichgestellt. Während die Mitgliedschaft im früheren Verband freiwillig war, sind im Konvent alle Religionslehrpersonen, die im Kanton angestellt sind, vertreten. «Unsere Anliegen erhalten dadurch mehr Gewicht», erklärt Aktuarin Johanna Bissig. Der Konvent entspreche einem Bedürfnis. Dies hätten die 36 Stimmberechtigten gezeigt, die an der ersten Sitzung teilnahmen.

Anliegen beim Kirchenrat einbringen
Der neue Konvent dient der Vernetzung und befasst sich mit thematischen, formalen und strukturellen Fragen des Religionsunterrichts. Konventspräsident Guido Baur ist zu den Sitzungen des Kirchenrats eingeladen, an denen er Anliegen der Religionslehrpersonen einbringen kann. So hat etwa der Kirchenrat angekündigt, dass die Kirche Baselland die von den Landeskirchen beider Basel gemeinsam geführte ökumenische Medienverleihstelle im Religionspädagogischen Zentrum in Basel in dieser Form nicht mehr mittragen werde. Dies sei bei den Religionslehrpersonen nicht gut angekommen, sagt Guido Baur. Die Kantonalkirche plant eine Befragung der Mitarbeitenden und eine Bedarfsabklärung bei den Benutzerinnen und Benutzern. Bei dieser Planung möchte der Konvent mitreden.

Anstellungsfragen sind ebenfalls ein Thema. Der Konvent übernehme hier eine gewerkschaftliche Funktion, so Baur. Viele Religionslehrpersonen sind mit Kleinstpensen bei mehreren Kirchgemeinden angestellt. Manchen verunmöglicht dies, der Pensionskasse beizutreten. Eine Lösung könne die zentrale Lohnverwaltung über die Kantonalkirche sein, erklärt der Konventspräsident.

Gäste und Randfiguren?
Nicht neu ist die Frage nach der Präsenz des Religionsunterrichts an den Schulen. Oft werden die Religionslehrpersonen dort als «Gäste und Randfiguren» wahrgenommen, wie es Kirchenrat Matthias Plattner einmal ausdrückte. An der Oberstufe werde der Religionsunterricht nur noch von wenigen Gemeinden angeboten, sagt Baur. In den Primarschulen seien die meisten nach wie vor präsent, doch es werde schwieriger.

Die Situation sei überall anders, erklärt Johanna Bissig. In einer Gemeinde müssen Eltern, die nicht Kirchenmitglied sind, für ihre Kinder bezahlen, wenn diese den Religionsunterricht besuchen. Zudem hänge es von den Schulleitungen ab, wie gut der freiwillige Religionsunterricht in den Stundenplan integriert ist. Findet er nur in den Randstunden statt, sinkt die Nachfrage. Dazu trage auch die Überfrachtung des Bildungssystems bei, glaubt Guido Baur. Der Religionsunterricht komme als Erstes unter die Räder, viele hielten ihn für verzichtbar.

Ein Spiegel der Gesellschaft
Für Baur ist der Religionsunterricht ein Spiegel der Gesellschaft. «Die Kirche hat kein gesellschaftliches Gewicht mehr. Doch wir Religionslehrpersonen können unseren heutigen Auftrag nur erfüllen, wenn wir an den Schulen unterrichten können.» Darum sei es wichtig, dass man als Religionslehrperson präsent sei und sich für die Schule und das Kollegium engagiere.

Religionslehrpersonen sollten gegenüber anderen Kulturen und Religionen offen sein und tolerant innerhalb der eigenen Konfession, etwa gegenüber Freikirchen. Auch die Ökumene müsse funktionieren. «In unseren Glaubensaussagen muss vieles Platz haben. Wir haben keinen missionarischen Auftrag, wir wollen alle Kinder erreichen. Wie soll das funktionieren, wenn wir innerhalb unserer eigenen Konfession andere ablehnen? Wir müssen authentisch sein, aufeinander zugehen und die Gemeinsamkeiten suchen», sagt Guido Baur.

Noch nie eine Bibel gesehen
die noch nie eine Bibel in der Hand hielten. Heutige Eltern seien oft kirchen- und religionsfern, beobachtet sie. «Religion gehört zur Allgemeinbildung. Wer vermittelt dieses Wissen, wenn der kirchliche Religionsunterricht nicht mehr an den Schulen vertreten ist?», fragt sie.

Bissig und Baur wollen das Kulturgut der biblischen Geschichten, die jahrhundertealten Traditionen, nicht sterben lassen. «Wir erreichen pro Jahr 12000 Kinder. Wir haben einen wichtigen Job, wir wollen den Kindern eine positive Einstellung den Religionen gegenüber mitgeben, damit der Glaube und die Kirchen eine Zukunft haben», sagt Guido Baur. Johanna Bissig ergänzt: «Mit der religiösen Bildung verfügen die Kinder über ein Werkzeug, um den eigenen Glaubensweg zu finden, ob in oder ausserhalb der Kirche.»

Karin Müller

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