News aus dem Kanton St. Gallen
Glockengeschichten

Ein Sammler von 150 Glocken

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16.03.2023
Glocken hängen im Thurgau nicht nur in Kirchtürmen. Glocken kann man auch sammeln, was Heinz Auer aus Bichelsee fast sein Leben lang getan hat.

«Es ist mir vermutlich in die Wiege gelegt worden, dass ich Freude an Glocken habe. Wenn man mit mir im Kinderwagen spazieren ging, habe ich immer â€čBimbamâ€ș gesagt, wenn eine Kirchenglocke ertönte», erzĂ€hlt der 60-jĂ€hrige Heinz Auer, ein leidenschaftlicher Glockensammler, am Esstisch in seinem Wohnhaus in Bichelsee.

Die erste Glocke
«Die erste Glocke ist aus meiner Schulzeit», erinnert er sich. «Beim Nachbarhaus hatten sie eine Glocke, an der man ziehen konnte. Als die Buben aus der Nachbarschaft damit spielten, fiel sie einem zu Boden und ging kaputt, weil sie einen Riss bekam. Ich habe sie immer noch behalten als Erinnerung.» Auer absolvierte eine Lehre als Konditor und Confiseur. Als er diese beendet hatte, entdeckte er, dass man auf FlohmĂ€rkten kleinere Glocken kaufen konnte. «Ich kannte das in Bichelsee nicht. Am Samstag musste ich immer arbeiten, so konnte ich nur in den Ferien auf FlohmĂ€rkten stöbern und danach suchen», erklĂ€rt er. Als das Zeitalter des Internets anbrach, fand seine Suche nicht mehr auf FlohmĂ€rkten, sondern am Computerbildschirm statt. So kaufte er Glocken ĂŒber Onlineplattformen.

150 Glocken im Besitz
Auer kaufte aber nur bestimmte Glocken, die seinen Vorstellungen entsprachen. Was war fĂŒr ihn beim Kauf einer Glocke wichtig? «Die Glocke musste funktionstĂŒchtig sein und der Ton sollte einen erfrischenden Klang haben.» Manchmal hatten Glocken auch eine besondere Geschichte, bis sie zu ihm gelangten. So erwarb er eine Schulhausglocke von einem Lehrer, der diese zufĂ€llig in einer Abfallmulde entdeckt hatte. Bei AufrĂ€um- und Renovationsarbeiten in einem Schulhaus war diese Glocke von Handwerkern in die Abfallmulde geworfen worden, weil niemand sie haben wollte. Wie viele Glocken hat Auer im Lauf der Zeit gesammelt? Er ĂŒberlegt einen Moment und sagt dann, dass mindestens 150 Glocken in seinem Besitz sind. Allein draussen im Gartenhaus, das mit dem KirchtĂŒrmchen aussieht wie eine kleine Kapelle, hĂ€ngen an der Decke 23 verschiedene kleinere Glocken aus der Schweiz, Deutschland und Österreich. Es sind Glocken aus Kirchen und Fabriken sowie Souvenirglocken der Glockengiesserei RĂŒetschi aus Aarau, die fĂŒr spezielle AnlĂ€sse angefertigt wurden. Heinz Auer sammelt heute keine Glocken mehr und hat seine Sammlung schon reduziert, da er nicht mehr Platz habe, wie er erzĂ€hlt. Doch er rĂ€umt ein, dass gelegentliche KĂ€ufe fĂŒr ihn nicht ausgeschlossen seien. «Aber es ist nicht mehr so, dass ich jeden Tag im Internet nachschaue. Vielleicht einmal alle zwei Monate», sagt er. Neben dem Sammeln von Glocken besichtigt er auch gerne Kirchen und dazu die KirchtĂŒrme, wo dies möglich ist.

Glocken sind ein Kulturgut
Haben Glocken fĂŒr ihn auch einen Bezug zum christlichen Glauben? «Ja, auf jeden Fall», bestĂ€tigt er. «Ich war frĂŒher katholisch, und wir mussten immer in die Kirche. Die Kirche und das GelĂ€ut trenne ich nicht voneinander. » Wie denkt er ĂŒber die Zukunft von Glocken? «Darauf habe ich eine klare Antwort: Das GlockengelĂ€ut wird weiter bestehen, ausser, man lĂ€sst sich von Glockenfeinden einschĂŒchtern, die sagen, man dĂŒrfe zu gewissen Zeiten nicht mehr lĂ€uten.» Auer ist der Ansicht, dass die Kirchgemeinden nicht nachgeben sollen. Man könne Kompromisse mit Menschen finden, die sich am GelĂ€ut stören, zum Beispiel durch Schallschutzvorrichtungen bei den Glocken oder EinschrĂ€nkungen beim Glockenschlag. Er gibt zu bedenken, dass meistens die Kirche und ihre Glocken schon vor denjenigen da waren, die deswegen reklamieren wĂŒrden. «Die Glocken und das GelĂ€ut sind ein Kulturgut und gehören zur Kirche.»

Eigenes GlockengelÀut
Seit ein paar Jahren ist Heinz Auer nun Mesmer der evangelischen Kirchgemeinde Bichelsee-Balterswil und stellvertretender Mesmer der evangelischen Kirchgemeinde Aadorf-Aawangen. Wenn jeweils am Freitag und am Samstag die katholische Kirche in Bichelsee ihre Glocken ertönen lĂ€sst, dann erklingt gleichzeitig auch eine Kirchenglocke von Heinz Auer vor seiner HaustĂŒre. Von all seinen Glocken mag er diese Glocke besonders. AufgehĂ€ngt in einem hölzernen original GlockengestĂŒhl und elektrifiziert betrieben, verbreitet sie seit zehn Jahren in der Nachbarschaft ihren lauten und schönen Klang. «Es ist eine Bachert-Glocke, die fĂŒr ihre guten Töne bekannt sind», so Auer. Diese Kirchenglocke mit dem Bibelvers aus Joh. 14,19b als Inschrift stammt aus dem Jahr 1955. Sie hat einen Durchmesser von 64 cm und ist zwischen 80 und 90 Kilogramm schwer. Es ist die grösste und schwerste Glocke, die Heinz Auer in seiner Sammlung hat. Sie stammt aus dem deutschen GrenzstĂ€dtchen Weil am Rhein. Ob sie zur evangelischen oder katholischen Kirche gehörte, weiss Auer nicht. Wie ist er zu dieser besonderen Kirchenglocke gekommen? «Ich musste diese nicht einmal suchen. Jemand rief mich an, der einen Trödelladen hatte und wusste, dass ich Glocken sammle. Die Glocke stand in seinem Laden und hatte einen schönen Ton, was fĂŒr mich neben dem Aussehen wichtig ist», erzĂ€hlt er. Wieviel er genau dafĂŒr bezahlt hat, verrĂ€t er nicht.

Aber um diese Glocke kaufen zu können, verkaufte er einem anderen Sammler eine Glocke aus seinem Besitz. Ist es ihm nicht schwergefallen, dafĂŒr eine eigene Glocke zu verkaufen? «Nein, mir war es wichtig, dass ich diese Glocke kaufen konnte », betont er. Stolz ist Auer auch auf das GestĂŒhl, an dem die Glocke hĂ€ngt. «Es stammt von einer Privatperson. Eigentlich wollte ich dort nur eine Glocke kaufen, konnte dann aber auch das GlockengestĂŒhl erwerben. Es ist ideal fĂŒr diese Glocke und den Motor, der sie antreibt.» Stören sich die Nachbarn daran, wenn er jede Woche seine Glocke lĂ€uten lĂ€sst? «Nein, hier ist es weitlĂ€ufig, und die Leute kennen mich ja seit vielen Jahren», versichert er, der selbst in Bichelsee aufgewachsen ist. Aber er lĂ€sst seine Glocke nur zusammen mit den Glocken im Kirchturm lĂ€uten und nicht allein, damit es zu keinen Fragen oder Reklamationen aus der Bevölkerung kommt. Da die Glocke programmiert ist, lĂ€utet sie auch, wenn er nicht zu Hause ist. Und er hĂ€lt fest: «Solange ich lebe, wird diese Glocke lĂ€uten.»

 

 

 

Weitere Videos zum Thema Glocken finden Sie unter https://www.youtube.com/@GloecknerBi/videos

 

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