News aus dem Kanton St. Gallen

Pragmatische Diplomatin

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26.02.2021
Ende November wählte die Basler Synode Pfarrerin Monika Widmer in den Kirchenrat. Als eine von drei Frauen im neunköpfigen Gremium will sie die Perspektive der Gemeindepfarrerin einbringen.

«Pfarrerin wollte ich nie werden», sagt Pfarrerin Monika Widmer im Zoom- Gespräch. Aufgewachsen auf einem Bergbauernhof im appenzellischen Heiden, absolvierte sie nach der Sekundarschule das Lehrerseminar in Kreuzlingen und schloss mit dem Primarlehrerin-Diplom ab, das sie auch zum Studium an einer Universität berechtigte. Aufgrund ihrer damaligen Affinität zum Katholizismus begann sie, an der Universität Freiburg im Üechtland katholische Theologie und Musikwissenschaft zu studieren mit dem Ziel höheres Lehramt. Am Konservatorium liess sie sich zudem in Gesang ausbilden. Nach dem Wechsel an die reformierte Fakultät der Universität Bern schloss sie das Studium mit dem Lizenziat in Evangelischer Theologie ab.

Religiös-sozial
Das Kirchenpraktikum im Val de Travers im Neuenburger Jura wandelte Monika Widmer von der Saula zur Paula. «Ich empfand im schlichten reformierten Kirchenraum von Fleurier ein grosses Gefühl von Heimat und Angekommensein », erzählt Widmer. «Mir wurde klar, dass mein Wirkungsort die Kirche ist, und ich habe es bis heute keinen Tag bereut. In den kinderbedingten Pausen vom Pfarramt hat mir mein Beruf gefehlt», gesteht die zweifache Mutter, die mit einem Informatiker und Theologen verheiratet ist. Im Pfarrberuf habe sie ihre eigentliche Erfüllung gefunden.

Monika Widmer sagt, sie habe ein weites Gottesbild. Sie selbst bezeichnet sich als religiös-sozial. «Die Basler Kirche ist vielfältig unterwegs. In ihr haben viele Facetten des Glaubens, von fromm-evangelikal bis liberal, ihren berechtigten Platz», sagt Widmer diplomatisch und fügt hinzu, ein evangelikaler Glaube müsse sich der Anfrage und Kritik liberaler Christinnen und Christen stellen und umgekehrt. Nur im gemeinsamen Ringen um Glaubensfragen und im gegenseitigen Respekt vor dem Weg des anderen seien wir Leib Christi.

Obschon von Geburt und durch das Studium im reformierten Glauben verwurzelt, sei sie vom katholischen Zuspruch in der Messe «Geheimnis des Glaubens» fasziniert. Dieser führe den Gläubigen vor Augen, dass sie sich nicht damit abmühen müssen, alle Fragen zu klären. Für einen reifen Glauben brauche es eine «zweite Naivität», eine Entscheidung, mit dem Unverfügbaren und Unerklärbaren leben zu wollen und auf Gott zu vertrauen. Für Widmer ist die existenzielle Auseinandersetzung mit den Tiefen der Bibel eine grosse Inspirationsquelle mit heilsamer Wirkung.

Kirchliche Weiterentwicklung
Im Kirchenrat möchte Monika Widmer bewusst die Perspektive der Gemeindepfarrerin einbringen. Als Verantwortliche für die Bereiche Kantonalkirchliche Seelsorge und Beratung, Spital-, UPK-, Gefängnis- und Gehörlosenseelsorge könne sie von ihrer Erfahrung als Pfarrerin im Umgang mit schwierigen Lebensgeschichten und ihrer Ausbildung in ignatianischer geistlicher Begleitung profitieren.

Aufgrund ihrer Tätigkeit sei sie nahe an den Sorgen und Nöten der Menschen. Ausserdem hält Widmer fest, dass sich die Kirche derzeit in einem Entwicklungsprozess befinde. «Der Kirchenrat muss dafür besorgt sein, dass die Kirche wieder die Balance findet.» Es liege auf der Hand, dass längerfristig ein Ausgleich zwischen den reichen und den armen Basler Kirchgemeinden geschaffen werden müsse. «Vielleicht gelingt es uns gemeinsam, neue Ressourcen aufzuspüren. Das müssen ja nicht ausschliesslich finanzielle sein.»

Privilegierte Situation
Die langfristige finanzielle Unterstützung der Wibrandis-Stiftung erlaubt es der Kirchgemeinde Gundeldingen-Bruderholz, per Sommer 2021 eine zusätzliche Pfarrstelle für die Jugendarbeit zu schaffen. Dank dieser Entlastung wird sich Pfarrerin Monika Widmer verstärkt der Arbeit im Kirchenrat widmen können. «Ich bin mir dessen bewusst, dass wir uns auf dem Bruderholz in einer privilegierten Situation befinden. Umso mehr möchte ich mit meinem Engagement etwas vom Segen weitergeben, den wir erhalten haben.»

Toni Schürmann

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