News aus dem Kanton St. Gallen

Index verrät: Gewalt gegen Christen nimmt zu

min
13.01.2023
Die Gewalt gegen Christinnen und Christen hat einen neuen Höchststand erreicht, berichtet das internationale Hilfswerk für verfolgte Christen Open Doors. Im Berichtszeitraum (Oktober 2021 bis September 2022) des neuen Weltverfolgungsindex wurden mindestens 5‘621 Christen wegen ihres Glaubens ermordet. Welche Länder besonders betroffen sind.

Der Weltverfolgungsindex (WVI) von Open Doors erscheint jĂ€hrlich seit 1993. Er zeigt die Verfolgung und Diskriminierung von Christen in den 50 LĂ€ndern auf, in denen es fĂŒr sie am gefĂ€hrlichsten ist, ihren Glauben zu leben und zu bekennen. Christen werden getötet oder inhaftiert, von Behörden schikaniert und systematisch benachteiligt, verprĂŒgelt, entfĂŒhrt, sexuell missbraucht, zwangsverheiratet oder gezwungen, ihre Heimat und ihr Land zu verlassen.

In den 30 Jahren, in denen Open Doors den Weltverfolgungsindex erstellt, hat die weltweite Ausbreitung der Verfolgung von Christen alarmierend zugenommen.

  • Weltweit leiden mehr als 360 Millionen Christen aufgrund ihres Glaubens zumindest unter einem «hohen» Mass an Verfolgung und Diskriminierung.
  • Im Jahr 1993 waren Christen in 40 LĂ€ndern einem «hohen» bis «extremen» Mass an Verfolgung ausgesetzt. Diese Zahl hat sich mit 76 LĂ€ndern im Jahr 2023 fast verdoppelt.
  • Allein in den 50 im WVI gelisteten LĂ€ndern sind 312 Millionen Christen einem «sehr hohen» oder «extremen» Mass an Verfolgung ausgesetzt.
  • Weltweit ist heute jeder siebte Christ mindestens einem «hohen» Mass an Verfolgung oder Diskriminierung ausgesetzt, davon jeder fĂŒnfte in Afrika, zwei von fĂŒnf in Asien und jeder 15. in Lateinamerika.

«Seit 30 Jahren können wir die GlaubwĂŒrdigkeit unseres jĂ€hrlichen Berichts ĂŒber die Verfolgung von Christen in der Welt unter Beweis stellen», erklĂ€rt Philippe Fonjallaz, Leiter von Open Doors Schweiz. «Die langfristige Entwicklung bereitet uns Sorgen, denn die Verfolgung und die Verletzung der Religionsfreiheit waren noch nie so stark wie heute. Wir haben die Verantwortung, die Situation dieser Millionen von Christen, die allen Arten von Angriffen auf ihre Grundrechte ausgesetzt sind, bekannt zu machen, damit ihre Stimme gehört wird. Die Ergebnisse des Weltverfolgungsindex ermöglichen es uns auch, unsere UnterstĂŒtzung gezielt auf diejenigen auszurichten, die sie am dringendsten benötigen, sei es auf geistlicher oder sozio-humanitĂ€rer Ebene oder durch Gebet. Auf diese Weise möchten wir ihnen Hoffnung und Mut vermitteln.»

Die zehn gefĂ€hrlichsten Staaten fĂŒr Christen – Nordkorea ist zurĂŒck auf Rang 1
Nachdem die Taliban ab August 2021 zahlreiche Christen wegen ihres Glaubens ermordet und tausende in die Flucht getrieben hatten, nahm Afghanistan auf dem WVI 2022 erstmals Rang 1 ein. Im Laufe des Jahres 2022 konzentrierten sich die Taliban verstÀrkt auf die Auslöschung derjenigen, die Verbindungen zum alten Regime hatten, und weniger auf die Entwurzelung der sehr kleinen Zahl der verbliebenen Christen.

Die Situation fĂŒr Christen im Land ist dennoch weiterhin extrem gefĂ€hrlich. FĂŒr den WVI 2023 war jedoch meist nicht erkennbar, ob die Taliban Menschen aufgrund ethnischer Zugehörigkeit oder Zusammenarbeit mit westlichen StreitkrĂ€ften und NGOs ermordeten, oder weil sie Christen waren. Eindeutige Belege fĂŒr Verfolgung wegen des Glaubens lagen oft nicht vor. Deshalb blieb die Zahl der dokumentierten Gewaltakte gering, entsprechend auch die Punktzahl im WVI. Dort steht Afghanistan aktuell auf Rang 9.

Das Leben vieler Christen, die in die NachbarlĂ€nder geflohen sind, ist sehr unsicher. «Unsere Lage ist verzweifelt», berichtet Zabi, eine christliche afghanische Vertriebene. «Meiner Mutter und mir ist es gelungen, ĂŒber die Grenze in ein anderes Land zu gelangen. Ich bete, dass ich dieses Land verlassen und an einen sicheren Ort gehen kann. Vielleicht muss ich untertauchen oder ich werde nach Afghanistan zurĂŒckgeschoben. Wenn das passiert, könnte ich getötet werden.»

In der Zwischenzeit sind die Taliban, die verzweifelt versuchen, das Land am Laufen zu halten, sehr daran interessiert, dass auslĂ€ndische ArbeitskrĂ€fte wie Ärzte oder Ingenieure im Land tĂ€tig sind. Die Religionszugehörigkeit von AuslĂ€ndern wird nicht so streng ĂŒberwacht, was sich ebenfalls auf die Gesamtbewertung der Verfolgung auswirkt.

Nordkorea kehrt wieder zurĂŒck auf Rang 1, wo es - mit Ausnahme des letzten Berichtszeitraums - seit dem WVI 2002 gestanden war. Das Land erreicht mit 98 Punkten den höchsten Wert seit Beginn der Dokumentation; seit EinfĂŒhrung des neuen «Gesetzes gegen reaktionĂ€res Gedankengut» wurden mehr Hauskirchen entdeckt und Christen verhaftet. Verhaftung bedeutet Hinrichtung oder ein Leben in einem der schrecklich unmenschlichen Lager fĂŒr politische Gefangene, in denen die Gefangenen fast verhungern, gefoltert werden und sexuelle Gewalt erfahren.

«Christen standen schon immer in der ersten Reihe der Angriffe des Regimes. Ihr Ziel ist es, alle Christen im Land auszurotten. In Nordkorea kann es nur einen Gott geben, und das ist die Familie Kim», beschreibt Timothy Cho, ein nordkoreanischer FlĂŒchtling, die verzweifelte Situation der Christen.

Nigeria und Subsahara-Afrika: Eine Katastrophe breitet sich auf dem Kontinent aus
Subsahara-Afrika steht vor einer gewaltigen humanitĂ€ren Katastrophe, da eine Welle religiös motivierter Gewalt, die in Nigeria (#6) ihren Ursprung hat, ĂŒber die Region hinwegtost und die christliche Bevölkerung in LĂ€ndern wie Burkina Faso (#23), Kamerun (#45), Mali (#17) und Niger (#28) in alarmierendem Ausmass ins Visier nimmt. Militante islamische KĂ€mpfer destabilisieren die gesamte Region mit extremer Gewalt. Am extremsten ist sie weiterhin in Nigeria, wo KĂ€mpfer der Fulani, der Boko Haram, der Provinz Islamischer Staat Westafrika (ISWAP) und anderer islamistischer Gruppen christliche Gemeinschaften ĂŒberfallen, töten, verstĂŒmmeln, vergewaltigen und fĂŒr Lösegeld oder sexuelle Sklaverei entfĂŒhren. Die Zahl der religiös motivierten Tötungen in Nigeria ist von 4‘650 im letzten Jahr auf 5‘014 gestiegen - das sind erschreckende 89 Prozent der internationalen Gesamtzahl.

Dschihadistische Gewalt ist in ganz Subsahara-Afrika alltĂ€glich geworden, wobei 26 LĂ€nder in der Region ein sehr hohes Mass an Verfolgung aufweisen. So gibt es auch in Mosambik (#32), der Demokratischen Republik Kongo (#37) und anderen LĂ€ndern deutliche Anzeichen fĂŒr eine Ausbreitung des Dschihadismus. Die islamistische Terrorkampagne wird durch eine tödliche Mischung aus Menschenhandel, KlimaverĂ€nderungen und einem Zustrom von Söldnern angefacht.

«Die ganze Region steuert auf eine Katastrophe zu», erlĂ€utert Frans Veerman, Leiter von World Watch Research, der Forschungsabteilung von Open Doors. «Das Ziel des IS und mit ihm verbundener Gruppen ist es, die gesamte Region zu destabilisieren und ein islamisches Kalifat zu errichten - letztendlich auf dem gesamten Kontinent - und langfristig sind sie davon ĂŒberzeugt, dass sie das erreichen können. UnterstĂŒtzt werden sie dabei von anderen Islamisten, die auf eine gewaltfreie, systemische Islamisierung setzen. Es sind nicht nur die Regierungen in Afrika, die sich der wahren Natur dieser religiös motivierten SĂ€uberung nicht stellen, sondern die Regierungen in der ganzen Welt. Der Preis fĂŒr diese Verweigerung ist unkalkulierbar, nicht nur fĂŒr Afrika, sondern fĂŒr die ganze Welt.»

Autoritarismus in China und weiteren LÀndern zielt auf vollstÀndige Kontrolle der Kirchen
Autokratische Regime wie China (#16) setzen auf völlige Kontrolle alles kirchlichen Lebens, das sie durch strenge Gesetze und ideologischen Nationalismus ersticken wollen. Ein Gesetz vom MĂ€rz 2022 gestattet nur noch lizenzierten und damit systemkonformen Kirchen und NGOs, religiöse Inhalte im Internet zu verbreiten. Der Zugang zu den seit der Pandemie verstĂ€rkt durchgefĂŒhrten Onlinegottesdiensten sowie zu christlichen Lehrmaterialien und zur Bibel ist damit vielen Christen verwehrt. Zuwiderhandlungen werden mit hohen Haftstrafen geahndet. China war erneut das Land, in dem die meisten Kirchen und kirchlichen Einrichtungen zerstört oder geschlossen wurden. Christen treffen sich in Hauskirchen, um der Überwachung zu entgehen.

DarĂŒber hinaus treibt China eine internationale Kampagne zur Neudefinition der Menschenrechte voran, weg von den traditionellen, allgemein anerkannten Begriffen hin zu subjektiveren »Rechten« wie Existenzsicherung, Entwicklung und Sicherheit. (Veranschaulicht in einer Rede des chinesischen Aussenministers vor dem UN-Menschenrechtsrat im Jahr 2021.)

In Indien (#11) sind Christen durch Anti-Bekehrungsgesetze in mittlerweile 12 Bundesstaaten willkĂŒrlichen Verhaftungen ausgesetzt, bis zu 10 Jahre Haft sind möglich. Sogar ein landesweites Gesetz ist geplant. Im aktuellen Berichtszeitraum wurden mehr als 1‘700 Christen aus diesem Grund inhaftiert. inhaftiert. Andererseits stehen Angriffe auf Christen durch radikale Hindus weiterhin auf der Tagesordnung. HĂ€ufig wiegeln sie Menschen aus dem unmittelbaren Umfeld auf, der daraus entstandene Mob greift Ă€ußerst brutal Christen an, misshandelt sie, zerstört HĂ€user und GeschĂ€fte. Meist wurden jedoch weder TĂ€ter noch Anstifter bestraft.

Der zunehmende Autoritarismus von Regierungen in lateinamerikanischen LĂ€ndern zusammen mit einer immer feindseligeren Haltung gegenĂŒber Kirchen und dem christlichen Glauben befördert Nicaragua (#50) zum ersten Mal auf den Weltverfolgungsindex, aber auch in Kolumbien (#22), Mexiko (#38) und Kuba (#27) hat sich die Situation fĂŒr Christen stark verschlechtert. So werden in Nicaragua und Kuba Kirchenleiter unter Druck gesetzt und verhaftet, die Überwachung verstĂ€rkt, Registrierungen und Genehmigungen verweigert, GebĂ€ude beschlagnahmt. In vielen LĂ€ndern Lateinamerikas hat die organisierte KriminalitĂ€t Einzug gehalten, insbesondere in lĂ€ndlichen Gebieten, wo Christen, die sich gegen die AktivitĂ€ten der Kartelle aussprechen, unterdrĂŒckt werden.

Existenzkampf der Kirche im Nahen Osten
Die christliche Kirche im Nahen Osten schrumpft weiter. Sie konnte sich nach dem Aufschwung des Islamischen Staates nicht erholen, obwohl die Zahl der getöteten Christen in den letzten Jahren zurĂŒckgegangen ist (eine Ausnahme ist Syrien (#12), wo es im Berichtszeitraum des WVI 2023 zu einer Welle gewalttĂ€tiger Übergriffe kam). «Das ist die Wiege des Christentums, und ein Grossteil der Kirche verliert die Hoffnung - die harte Kost der Diskriminierung und der Armut ist zu schwer zu ertragen, besonders fĂŒr die jungen Menschen, die hier keine Zukunft als GlĂ€ubige sehen», erklĂ€rt Rami Abed Al-Masih, Advocacy-Regionalleiter fĂŒr den Nahen Osten und Nordafrika, die dramatische Entwicklung.

TOP 50 mit sehr hoher und extremer Verfolgung
In den 50 LÀndern des Weltverfolgungsindex (WVI) leben ca. 5,1 Milliarden Menschen, darunter rund 737 Millionen Christen, von denen rund 312 Millionen einem sehr hohen bis extremen Mass an Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt sind. Mittels einer Indexpunktzahl werden die LÀnder den Verfolgungsrubriken «extrem» (81-100 Punkte), «sehr hoch» (61-80 Punkte) und «hoch» (41-60 Punkte) zugeordnet.

Top Ten im WVI 2023 (Rang im WVI 2022 in Klammern)

1.    Nordkorea (2)
2.    Somalia (3)
3.    Jemen (5)
4.    Eritrea (6)
5.    Libyen (4)
6.    Nigeria (7)
7.    Pakistan (8)
8.    Iran (9)
9.    Afghanistan (1)
10.  Sudan (13)

Unsere Empfehlungen

Menschlich und rentabel wirtschaften

Menschlich und rentabel wirtschaften

Unternehmerischer Erfolg mit sozialen Werten strahlt in die Wirtschaft und die Gesellschaft aus: Referierende aus verschiedenen Branchen beleuchteten am sechsten Forum christlicher Führungskräfte die Bedeutung sozialen Unternehmertums – darunter die Theologin Christina Aus der Au.
Mode macht Menschenwürde möglich

Mode macht Menschenwürde möglich

Von einer unfreiwilligen Sexarbeiterin zur selbstbestimmten Näherin: Drei junge Frauen aus dem Thurgau und Süddeutschland ermöglichen einigen Frauen aus Indien ein besseres Leben. Und das mit ihrem Kreuzlinger Modelabel «Dignity Fashion».
Ohne Treue kein Wunder

Ohne Treue kein Wunder

Am 9. November vor 30 Jahren fiel die Berliner Mauer, was kaum einer für möglich gehalten hatte. Thurgauer pflegten schon damals Kontakte in den Osten oder lebten gar dort. Sie erinnern sich.