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Den Himmel herunterholen

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24.03.2020
In der Kartause Ittingen entsteht eine Kunstinstallation – eine Himmelsleiter. Interpretiert wird sie vom Walliser Künstler Vincent Fournier. Der ehemalige Fussballprofi arbeitet heute gerne in der Stille.

Ab sofort kann man auf der steilen Treppe im Rebberg bei der Kartause Ittingen auf Schritt und Tritt einem Heiligen begegnen. Grund dafür ist die Ausstellung «Göttliche Landschaft – Zeitgenössische Kunst zu Glaube und Religion», die von Künstlerinnen und Künstlern im Zusammenhang mit dem 150-Jahr-Jubiläum der beiden Landeskirchen umgesetzt werden. Vincent Fournier, gläubiger Katholik und ehemaliger Profifussballer beim FC Zürich, wurde von Projektleiter Reto Friedmann für die künstlerische Umsetzung einer Himmelsleiter angefragt. «Das ist eine tolle Arbeit für die Fastenzeit », sagt Fournier und passt ein hellblaues Holzbrett zwischen die Stufen ein.

Zwei Monate in einer Klause
Damit die Bretter sich gut einfügen, muss er jede der 184 Treppenstufen von Unrat befreien. In der Stille zu arbeiten, ist er gewohnt: Sein Atelier liegt praktisch im Kapuzinerkloster in Sion, wohin sich der frisch gebackene Grossvater regelmässig zu den Gebeten der Kapuziner zurückzieht. Hier in Ittingen dauert die Zurückgezogenheit gut zwei Monate, in der Fournier in einer Kartäuserklause leben und arbeiten kann. «Dank der Stille nehme ich das Läuten der Kirchenglocken viel bewusster wahr», sagt Fournier.

Verbindung zum Himmel
Die 184 Treppenstufen entsprechen hinauf und hinunter in etwa einem Kirchenjahr, welches unter anderem durch die Gedenktage der Heiligen geprägt ist. Welche Heilige er in die Himmelsleiter aufnehmen solle, fragte er nach. «Vom katholischen Theologen Reto Friedmann erhielt ich zwei, drei Vorschläge, vom evangelischen Pfarrer Thomas Bachofner gut ein Dutzend. Das fand ich irgendwie witzig», sagt Fournier. Er hat auf den bemalten Lärchenholzbrettern auch Kirchenfeste wie Ostern, Pfingsten oder liturgische Texte festgehalten. Aber nicht jedes Brett ist mit einer Heiligenfigur wie Bruder Klaus oder Wiborada bemalt. Einige bleiben bewusst leer und ergänzen mit ihrer hellblauen Farbe die Himmelsleiter. «Durch diese Farbe, die auch in der Klosterkirche Ittingen eine zentrale Rolle spielt, wird von unten gesehen eine Verbindung zum Himmel geschaffen. Der Himmel wird damit heruntergeholt», sagt Fournier. Durch die Himmelsleiter werde der geistliche Reichtum des christlichen Lebens angezeigt. Das Sichtbarmachen der Religion im öffentlichen Raum ist Fournier ein grosses Anliegen. Denn er stellt ernüchtert fest, dass vielen Jugendlichen der Bezug zum Glauben abhanden gekommen ist.

Fussball und Kunst
Da er sich sehr für die Kartäuser interessiert, freut er sich doppelt, hier in Ittingen tätig zu sein. «Die Kartäuser haben einen eigenen Bezug zur Zeit und zum Tod, sie sind sehr realistisch orientiert, was mir gefällt», sagt Fournier und gewährt Einblick in seine temporäre Klause. Überall stehen hellblau bemalte Bretter, die darauf warten, eingebaut zu werden. An den Wänden hängen eigene, mitgebrachte Bilder, einige mit einem Kreuzmotiv versehen. Er hätte immer zwei Kreuze zu tragen gehabt, sagt Fournier, der die Kunstschule in Lausanne besuchte und Arzt werden wollte. Letzteres war mit dem Fussball schlecht vereinbar, so blieb es beim Fussball und bei der Kunst. Zwei Kreuze. Fournier macht Kunst, die von Spiritualität und Mystik geprägt ist. Seine Kunst soll leben und atmen können, soll frei und offen sein. Deshalb kann er im Moment noch nicht sagen, wie die Himmelsleiter am Schluss aussehen wird. Er lässt sich überraschen, und leiten.

Das Werkgespräch mit Vincent Fournier in der Kartause Ittingen vom 15. April sowie die Vernissage am 3. Mai sind wegen des Coronavirus verschoben.


(Claudia Koch, 24. März 2020)