Für «Spiis» und Trank
Obschon die Zahlen rückläufig sind, ist das Tischgebet nach wie vor verbreitet. Neben traditionellen Liedern und Gebeten gibt es auch humorvolle Varianten wie Tischraps oder Witze.
Laut Umfragen beten in den Vereinigten Staaten gut die Hälfte der Menschen vor oder nach dem Essen. Das Tischgebet ist über alle sozialen Schichten, Hautfarben und Religionen hinweg eine Institution. Selbst unter Atheisten und Agnostikern ist es noch verbreitet. In Deutschland beten laut Erhebungen rund 25 Prozent regelmässig vor oder nach dem Essen. Die Zahlen sind aber über die letzten Jahrzehnte rückläufig. Ähnliche Umfragen aus der Schweiz fehlen.In religiös sozialisierten Familien sind Gebete und Tischlieder also immer noch gang und gäbe. Viele Leserinnen und Leser werden die traditionellen Lieder und Gebete noch kennen:
Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast
und segne alles was du uns bescheret hast.
Für Spiis und Trank, fürs täglich Brot
Wir danken dir oh, Gott.
Neue Formen des Tischliedes
Spätestens in kirchlichen Lagern lernen auch heute noch viele Kinder Tischgebete und entsprechendes Liedgut kennen Dabei werden althergebrachte Formen auch fantasievoll neu interpretiert, etwa als Tischrap:
Alle guten Gaben, alles was wir haben,
kommt, o Gott, von dir, wir danken dir dafür!
Wir singen: We will - we will thank you!
singing we will - we will thank you!
(mit dem typischen Klatschrhythmus
aus dem Queen-Song «We will rock you»)
Dazu kommen auch säkulare Formen des Tischliedes, so beispielsweise auch in Kindertagesstätten zu finden:
Piep, piep, piep,
wir haben uns alle lieb,
piep, piep, piep,
guten Appetit.
Witze über Tischgebete
Und natürlich sind Tischgebete auch in Anekdoten und Witzen ein Thema: Ein Missionar wird eines Tages bei einem Spaziergang im Dschungel von einem Löwen angefallen. Der Missionar rennt um sein Leben. Der Löwe verfolgt ihn und kommt immer näher. Im letzten Moment – der Löwe holt schon zum Sprung aus – bremst der Missionar ab, kniet nieder und schickt ein Stossgebet zum Himmel: «Oh Herr, bekehre diesen Löwen!» Der Löwe bremst mitten im Sprung ab, kniet neben dem Missionar nieder, faltet die Hände ebenfalls zum Gebet. Schweissgebadet steht der Missionar auf, lehnt sich erleichtert an den nächsten Baum und lauscht dem Gebet des Löwen: «Komm, Herr Jesus, sei unser Gast, und segne, was du uns bescheret hast. Amen!»
Tischgebet aus dem Toaster
Tischgebete und Tischlieder sind ein Stück Alltagsspiritualität. Essen ist für uns lebenswichtig. Dabei denken wir bewusst an den, der unser Leben trägt und hält. Tischgebete sind Ausdruck dafür, dass ein gedeckter Tisch keine Selbstverständlichkeit ist. Ermüdet von der Arbeit holen wir Luft, gehen in uns, richten uns aus auf Gott und schöpfen Kraft in einem Gebet. Allerdings fühlen sich nicht alle wohl, in Gegenwart anderer zu beten. Vorformulierte Gebete sind in diesem Fall eine Hilfe. Im Buchhandel sind nebst einem breiten Angebot an Büchern auch Gebetswürfel, Kalender, Karteikärtchen und sogar Gebetstoaster erhältlich, die Papierscheiben in Brotform mit Gebeten per Knopfdruck aus dem Toaster schleudern.
Jüdischer Ursprung
Das christliche Tischgebet hat seinen Ursprung im jüdischem Brauch, vor und nach einem Mahl einen Dank oder Lobpreis auf Gott als Schöpfer aller Gaben zu sprechen:
Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du lässt die Erde Brot hervorbringen.
Bereits Jesus gibt uns ein Vorbild für das Tischgebet: Während des Abendmahles mit den Jüngern spricht er den Segen und bricht das Brot. Und in der Emmausgeschichte spricht der Auferstandene beim gemeinsamen Essen den Lobpreis über das Brot.
Perlen im Gesangbuch
Wenig bekannt ist leider, dass im reformierten Gesangbuch in der Rubrik «Gottesdienst im Tageskreis» eine stattliche Anzahl Tischlieder und Tischgebete gesammelt sind. Darunter auch sprachliche Perlen, wie das Tischgebet von Rudolf Bohren (RG 637):
du hungerst herr
in den hungernden der erde
du hungerst
nach unserer gerechtigkeit
speise uns herr
mit deiner gerechtigkeit
damit wir hungernden geniessen
wofür wir dir danken
Text: Hansueli Walt, Pfarrer, St. Gallen | Foto: epd-bild / Bertold Fernkorn – Kirchenbote SG, Februar 2020
Für «Spiis» und Trank