Muslime beschützen Christen vor Mob
Pfarrer Supriatno steht unter Druck. «Muslimische Hassprediger und Drohungen radikaler Organisationen nehmen zu», stellt der Pfarrer der reformierten Pasundan-Kirche im indonesischen Bandung fest. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bestätigt seine Einschätzung: In ihrem neusten Bericht listet sie Fälle von Kirchenschliessungen und Repressionen wegen angeblicher Blasphemie auf. Immer wieder kommt es zu Menschenansammlungen, wo sich der von Fanatikern aufgepeitschte Mob gegen Kirchen richtet. Einige der Kirchen können wegen Drohungen muslimischer Hardliner nicht mehr benutzt werden.
Minderheiten unter Druck
Dabei garantiert die indonesische Staatsverfassung eigentlich Religionsfreiheit. «Einheit in Vielfalt» lautet das Staatsmotto. Traditionell praktiziert die Mehrheit des bevölkerungsreichsten muslimischen Landes der Welt einen moderaten Islam.
Wann immer der Muslim von einem Angriff auf eine Kirche hört, fährt er hin, um sie zu schützen.
Allerdings haben die Spannungen in den vergangenen Jahren zugenommen. Radikale Gruppierungen unterwandern Schulen und Universitäten. Unter Druck sind nicht nur Christen. Andere Minderheiten sind noch stärker bedroht, wie zum Beispiel die islamische Ahmadiya-Bewegung.
Haftbefehl fehlt
Hilfe erhalten bedrohte Kirchen von unerwarteter Seite: Von Muslimen wie Wawan Gunawan. Wann immer der Universitätsdozent von einem Angriff auf eine Kirche hört, fährt er hin. Es komme nämlich vor, dass die herbeigerufene Polizei die eingeschüchterte Pfarrperson mitnehme und sie zwinge, zu unterschreiben, dass sie mit der Kirchen-
schliessung einverstanden sei. Das konnte Wawan schon mehrfach verhindern: «Die Polizisten haben in solchen Situationen keinen Haftbefehl. Wenn ich nach einem Haftbefehl frage, müssen sie die Kirchenleute gehen lassen.» Auch für andere religiöse Minderheiten setzt sich Wawan ein, beispielsweise für Schiiten und die Ahmadiya-Bewegung.
Im islamischen Internat herrschte ein strenges Regime: CD-Player, Handys, sogar Bücher von aussen waren verboten. «So wollten sie uns Schülerinnen von externem Gedankengut fernhalten.»
Was motiviert ihn zu diesem Engagement? Ein Grund dafür sind interreligiöse Freundschaften. Wawan ist einer der wichtigsten Köpfe bei Jakatarub, einem interreligiösen Netzwerk, das auch mit der Pasundan-Kirche zusammenarbeitet. Jakatarub führt Jugendlager durch, wo Jugendliche mit Andersgläubigen Freundschaften knüpfen.
Vater verbot Kontakt zu Muslimen
Eine dieser Jugendlichen ist Eva Nurdiana. Ihre Eltern schickten die Muslimin auf ein islamisches Mädcheninternat. Dort herrschte ein strenges Regime: CD-Player, Handys, sogar Bücher von aussen waren verboten. «So wollten sie uns Schülerinnen von externem Gedankengut fernhalten.» Wo ethnische und religiöse Gruppierungen isoliert leben, wachsen Vorurteile gegenüber den «anderen».
Die «anderen» lernte Eva im interreligiösen Jugendlager von Jakatarub kennen. Francisca zum Beispiel, eine Christin, deren Vater ihr als Kind jeden Kontakt zu Muslimen verbot. Heute sind Eva und Francisca beste Freundinnen. Bei Jakatarub engagieren sie sich immer noch. Als ehemalige Teilnehmerinnen helfen sie bei den Jugendlagern mit. «Die wunderbare Erfahrung, die wir selbst im Lager machten, möchten wir möglichst vielen anderen jungen Menschen ermöglichen!» Auch an weiteren Aktionen von Jakatarub sind sie beteiligt, etwa an Videokampagnen oder Flashmobs auf öffentlichen Plätzen.
Der interreligiöse Dialog kommt nicht überall gut an. Oft müsse sie sich dafür rechtfertigen, erzählt Francisca. «Meine Eltern waren anfangs dagegen.» Auch manche Freundinnen begegnen dem Engagement mit Skepsis. Francisca und Eva sind aber überzeugt: Ein friedliches Indonesien ist nur möglich, wenn die Menschen religiöse Gräben überwinden.
Text: Stefan Degen | Fotos: Mission 21 / zVg – Kirchenbote SG, November 2021
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