News aus dem Kanton St. Gallen

Über Hände und Welten

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21.02.2023
Emeka Udemba jongliert zwischen den Welten: dem Heimatland Nigeria und dem Wohnort in Freiburg im Breisgau und seiner Kunst. Der Maler hat das diesjährige Hungertuch erschaffen. Ein Besuch in seinem Atelier.

Lächelnd steht Emeka Udemba an der Tür seines Ateliers in Freiburg und bittet mit einer einladenden Geste die Treppe hoch in sein Reich. Sein aktuelles Werk, das noch unvollendete Hungertuch, springt mit seinen kräftigen Farben sofort ins Auge. «Austausch und Diskussion», antwortet er auf die Frage, was das Hungertuch auslösen solle. «Es reicht mir nicht, wenn es einfach nur schön ist. Wenn man das Bild jeden Tag anschaut und immer etwas Neues entdeckt, öffnet sich ein Raum für den Austausch. So hat man etwas zu erzählen. Wenn das passiert, ist es gelungen.»

Farbe bekennen
Gelungen ist das Gemälde voller Farben und Schnipsel allemal. Diese bilden die Grundlagen für Udembas Kunst. Er reisst Papierstücke aus Zeitungen und Magazinen, klebt sie auf die Leinwand, überklebt sie nochmals mit andern Schnipseln und übermalt das Ganze mit Farbe. Den Vorgang wiederholt er etliche Male. Er zeigt Udembas Interesse an Informationen und der Art, zu kommunizieren. Kommunikation präge uns, meint Udemba, so wie er mit jedem Wortschnipsel seine Werke prägt. Auf dem Hungertuch sind Begriffe wie «Das Leben» oder «Farbe bekennen» deutlich zu lesen. Auch diese sollen zu Diskussionen anregen.

Konsumdurst nach Gütern
Das Bild zeigt zwei Händepaare. Männer- und Frauenhände aus verschiedenen Kulturen – trotz unterschiedlicher Grösse und Färbung von derselben Welt, die sie gemeinsam beschützen. Wovor? Udemba erwähnt den Konsumdurst der reichen Länder nach Gütern, die wir in diesem Überfluss eigentlich gar nicht brauchen. «Da wir hier alles so billig bekommen, werden die Leute in Afrika und Asien sehr schlecht bezahlt; das treibt sie in die Armut.» Weiter erwähnt der Künstler die gestiegenen Brotpreise in Afrika als Folge des Kriegs in der Ukraine. Alles hänge zusammen – ein Teufelskreis. Hervorgehobene und gut lesbare Papierschnipsel zeigen «Darf’s noch etwas mehr sein?» oder «Das kostet die Welt».

«Was ist uns heilig?»
«Wir müssen die Welt so gestalten, dass jeder Teil der Erde die Möglichkeit hat, sich selbst zu ernähren und zu versorgen», meint Udemba weiter. Dies ist an gewissen Orten jedoch gar nicht mehr möglich. Dürren, Überschwemmungen und weitere Folgen des Klimawandels erschweren den Menschen die Saat und die Ernte im eigenen Land. Der Titel des Hungertuchs «Was ist uns heilig?» lässt uns, genauso wie das Bild selbst, reflektieren. Sind die schützenden Hände um die Weltkugel ein Symbolbild für das Sorgetragen zur heiligen Mutter Erde? Stellen die Schnipsel «Der Mensch», «Der Anfang» oder «Das Leben» mögliche Antworten auf die Frage dar, was uns heilig ist? Udemba lässt es offen.

Text: Selina Stadler | Foto: Härtl/Misereor – Kirchenbote SG, März 2023

 

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