Staub und Spinnweben auf den alten Altären
Wehrhaft gaben sich früher selbst die Priester der Ashanti. Darstellungen von bewaffneten Priestern schmücken die Panele an der Eingangstür zum Dorfheiligtum von Samaan nahe der Hauptstadt Kumasi. An den weissen Gebäuden im Innenhof des Lehm-Tempels, der dem Flussgott Tano Kwadwo geweiht wurde, überziehen geometrische Muster die roten Plinthen.
Die Reliefs hat Koffi Ady, Herr über die Kultstätte, zum Schutz gegen den Monsunregen mit einer Blechhülle versehen. Er öffnet das Vorhängeschloss und gewährt Einblick in den Schrein.
Vermittler zum Schöpfer
Staub und Spinnennetze überziehen Kalebassen, Kultobjekte und die hölzerne Statue des Flussgottes. Zeremonien haben in diesem düster wirkenden Ort schon lange keine mehr stattgefunden. Seit dem Tod des letzten Okomfo, wie die Ashanti-Priester beiderlei Geschlechts genannt werden, ist der Schrein verwaist. Dieses Schicksal teilen etliche Kultstätten, die den niederen Göttern der Naturreligion geweiht sind und auch von Christen noch lange besucht wurden. Diese kleinen Götter, Abosom genannt, gelten als Abkömmlinge der unnahbaren Schöpfergottheit Nyame und seiner Gemahlin Asaase. Den Sterblichen offenbaren sich die kleinen Götter vor allem als Flüsse. Da Menschen Nyame niemals persönlich um etwas bitten dürfen, wenden sie sich an die Abosom.
Vom Ursprung des Fetisch
Portugiesische Missionare haben berichtet, dass in diesen Tempeln Priester einen Zauber aus Lehm, Perlen und Kaurimuscheln verfertigten. Mit Bezug auf das portugiesische Wort feitiço (künstlich, nachgemacht) nannten sie die Schreine Fetischhäuser. Dort suchte man in Notsituationen, etwa bei Krankheiten oder Missernte, Beistand. Dabei diente der Priester als Medium zwischen Gemeinde und Gottheit. Zeremonien, bei denen das Trommeln eine zentrale Rolle spielte, sorgten dafür, dass ihm neue Kräfte gegeben wurden und der Trance-Zustand eintrat.
Vom Nutzen der kleinen Götter
Obwohl bis heute viele Ashanti ihren niederen Göttern die Treue halten, scheinen die Tage ihrer Kultstätten gezählt zu sein. Den alten, noch bestehenden Tempeln ist eine Konkurrenz erwachsen: Moderne Kultanlagen aus Beton, Zement und industriell vorgefertigten Dekorationselementen, die an traditionelle Motive angelehnt sind, erfreuen sich zunehmender Beliebtheit.
Sich in Ghana zum Christentum zu bekennen, schliesst nicht aus, dass man sich einen kleinen Gott der Naturreligion warmhält. Hat ihn früher die Gemeinschaft angerufen, erhofft sich heute der Einzelne durch einen Bittgang persönlichen Wohlstand.
Text und Foto: Thomas Veser, Pressebüro Seegrund, St.Gallen – Kirchenbote SG, Februar 2015
Staub und Spinnweben auf den alten Altären