Im Sterben umfassend betreut sein
Palliative Care hat seinen Ursprung in den 1960er-Jahren: in der von Cicely Saunders in London begründeten Hospizbewegung. Durch das Buch «On Death and Dying» von Elisabeth Kübler-Ross erfuhr der kanadische Arzt Balfour Mount von der ganzheitlichen Betreuung Sterbender im «Christophers Hospice» und hospitierte es. Beeindruckt von der dortigen Arbeit baute Mount 1975 im Royal Victoria Hospital Québec eine hospizähnliche Abteilung auf, für die er den Namen «Palliative Care» schuf.
«Palliative» leitet sich vom lateinischen palliare «mit einem Mantel bedecken» ab, das englische Wort «Care» bedeutet Versorgung, Betreuung oder Aufmerksamkeit. Der kaum übersetzbare Namen hat sich durchgesetzt, auch bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die bereits 1990 das Betreuungskonzept definiert hat.
In der Schweiz entstanden in den 1970er-Jahren nach Vortragsreisen von Elisabeth Kübler-Ross Freiwilligengruppen und Hospizbewegungen. Themen wie Sterbebegleitung und Sterbehilfe führten schon damals zu Kontroversen. 1988 wurde die «Schweizerische Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung SGPMP» gegründet. Die Fachgesellschaft umfasste von Anfang an viele Berufsgruppen und nennt sich heute palliative ch.
Seit 2010 gibt es auch eine «Nationale Strategie Palliative Care». Sie umfasst explizit «medizinische Behandlung, pflegerische Intervention, psychische und spirituelle Unterstützung in der letzten Lebensphase».
«Palliative Care» und die Kirchen
Von Beginn an waren die Kirchen eingeladen, sich in die nationale wie auch die kantonalen Strategien einzubringen. Denn die Kirchen verfügen über ein enges Netz von Freiwilligen in Hospizgruppen und Besuchsdiensten. Und gegen 200 professionelle Seelsorgerinnen und Seelsorger arbeiten in Heimen und Spitälern. Das Echo der Kirchen auf diese Einladung war aber eher verhalten.
Im Sommer 2013 berichtete der Kirchenbote, dass bisher nur im Aargau ein Pensum geschaffen wurde, um Seelsorge in der Palliative Care zu verankern. Damals versprach die für Diakonie zuständige Kirchenrätin Annina Policante die verbesserte Leistungsvereinbarung mit der katholischen Fachstelle BILL (Begleitung in der letzten Lebensphase), ein Konzept und eine Fachperson: «Ich setze mich für eine offizielle Beauftragung von etwa 10 bis 20 Prozent ein.»
Ein Jahr später lag das kantonalkirchliche Konzept «Seelsorge in Palliative Care» vor und am 1. Januar 2015 konnte mit Pfarrerin Ranata Aebi eine mit 40 Prozent dotierte Projektstelle «Seelsorge in Palliative Care» besetzt werden – für drei Jahre, finanziert aus dem Wartenseefonds. Und die Kantonalkirche ist weiterhin beteiligt an der Fachstelle BILL, die Freiwillige zur Begleitung Sterbender schult – wünschen sich doch viele, daheim sterben zu können. Und gemäss Stelleninhaber Urs Winter wird diese «Carearbeit» daheim zu 80 Prozent von Freiwilligen und Angehörigen (vor allem Töchter) und nur zu 20 Prozent von Profis verrichtet.
Spiritualität und Seelsorge
Das kantonalkirchliche Konzept «Seelsorge in Palliative Care» begründet die kirchliche Seelsorge biblisch und umschreibt behutsam in offener und zeitgemässer Sprache deren Beitrag im säkularen Umfeld von Palliative Care resp. der religiös-spirituellen Begleitung Sterbender daheim, in Heimen oder Spitälern. Seelsorge wird im Konzept als wesentlicher Teil der spirituellen Betreuung Sterbender und Angehöriger beschrieben – als «Trauerarbeit, Gestaltung von Ritualen und Übergängen, Ausbildung und Begleitung von Freiwilligen …».
Text: as | Fotos: Ferdinand Hodler und z.V.g – Kirchenbote SG, November 2015
Im Sterben umfassend betreut sein