News aus dem Kanton St. Gallen

Wie aus Alpöhi ein Mann wurde

von Stefan Degen
min
11.06.2025
Warum sind Männer die grossen Abwesenden bei kirchlichen Angeboten? Was braucht es, damit sie sich von christlicher Spiritualität angesprochen fühlen? Diesen Fragen stellten sich rund 70 Männer und Frauen in Rapperswil-Jona – und erfuhren dabei, was Heidi und Alpöhi damit zu tun haben.

«Nach meiner Wahrnehmung fällt es Frauen tendenziell leichter, über Spiritualität zu sprechen», sagte der Kapuziner Niklaus Kuster vom Kloster Rapperswil an der ökumenischen Fachtagung Männer und Spiritualität. «Als wir vor knapp 30 Jahren das Haus der Stille in Altdorf für Frauen öffnen wollten, gab es Widerstand von Männern», erläuterte er an einem Beispiel. «Ein Gast bemerkte trocken: ‹Wenn im Kloster auch Frauen dabei sind, verstumme ich.›» Da habe er realisiert: «Männer haben oft einen geschützten Raum nötig, um über Spiritualität zu reden.»

Risiken reiner Männerspiritualität

Eine reine Männerspiritualität berge aber auch Risiken, so Ordensmann Kuster, gerade auch in patriarchalen Strukturen der römisch-katholischen Amtskirche. Etwa das Risiko der Verengung. So habe die feministische Theologie sein Gottesbild verändert und geöffnet.

Heidi und der verlorene Sohn

Auch der zweite Referent, der Zürcher Theologieprofesser Ralph Kunz, warnte vor einer übertriebenen Fixiertheit auf das Geschlecht. Und er zog dabei eine unerwartete Parallele zwischen dem biblischen Gleichnis vom Verlorenen Sohn und Heidi, dem Kinderbuchklassiker von Johanna Spyri. In diesem Roman gehe es um Mannsbilder, die ihre Rolle erst finden müssten. Allen voran Alpöhi werde nicht sehr schmeichelhaft beschrieben als «gottloser Mensch, der das Sprechen verlernt hat.» Dieser alte, verbitterte Bock werde innerlich weich, weil Heidi in ihm eine verborgene Zärtlichkeit, eine schlummernde Spiritualität entdecke. «Und als sie dann von Frankfurt nach Hause kommt, liest sie ihm die Geschichte vom Verlorenen Sohn vor.» Hier kehre sich das Verhältnis: «Der Grossvater ist verloren, und das Kind hat ihn wiedergefunden.»

Bier brauen in der Kirche

Zur Veranstaltung im Evangelischen Kirchenzentrum in Jona eingeladen hatte die ökumenische Fachgruppe Männerarbeit im kirchlichen Kontext des Dachverbandes männer.ch. Ziel sei es, hauptberuflich und ehrenamtlich in Männerarbeit tätige Frauen und Männer in ihrer Arbeit zu bestärken, so die Veranstalter, und Männern die Relevanz christlicher Spiritualität für ein gelingendes Leben aufzuzeigen. Neben den Referaten gab es Workshops zu Themen wie Outdoorspiritualität und Seelsorge mit Männern.

Das dichte Programm sorgte im Verlaufe des Nachmittags für einen gehörigen Durst. Diesem nahmen sich die Bierbrauer der gastgebenden Evang.-ref. Kirchgemeinde Rapperswil-Jona an. Sie schenkten ihr Benefiz-Bier «Zwinglispoiz» aus, das sie im Rahmen der kirchlichen Männerarbeit von Rapperswil-Jona gebraut hatten, und sorgten so für einen geselligen Ausklang.

Unsere Empfehlungen

Wie es Casanova heute ergehen würde

Wie es Casanova heute ergehen würde

Vor 300 Jahren wurde Giacomo Girolamo Casanova geboren, der Inbegriff eines Schürzenjägers. Satirikerin Patti Basler darüber, was er heute so treiben und wie es ihm ergehen würde – angereichert mit Zitaten des Playboys aus Venedig.
Ein Lager schlägt Brücken

Ein Lager schlägt Brücken

850 Jugendliche nehmen vom 12. bis 19. Juli am zweiten Regionallager des Cevi Ostschweiz teil. Es findet in Gachnang TG statt. Die Woche des Daraja wird zum Thema «Die Siedler von Matan» gestaltet.