News aus dem Kanton St. Gallen

«Werte vorgeben wird nicht goutiert»

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21.09.2022
«Geiz ist geil» verachtet sie. «Ich komme zuerst» stört sie. Bröckelt der Gemeinschaftssinn, wird sie nachdenklich: Gabriela Buscetto-Zentner ist durch und durch reformiert geprägt, engagiert sich in der Kirche, politisiert aber bei der CVP – neu der Mitte. Für die Gemeinderätin aus Ganterschwil ist dies kein Widerspruch.

«Eigentlich ist es ein purer Zufall», erklärt die 54-Jährige. Als die Buscettos mit ihren drei Kindern 1998 nach Ganterschwil zogen, fragte sie die damalige CVP an, ob sie Mitglied werden wolle. «Ich habe betont, dass ich reformiert bin, es nicht Usus sei bei einer katholischen Partei mitzuwirken. Doch dies interessierte niemanden.» Wäre die FDP auf sie zugekommen, Buscetto hätte wohl ihr zugesagt. 

Freisinnige Hochburg: Neckertal
Denn diese Partei kannte die gelernte Kauffrau. Das Neckertal war in ihrer Jugend eine freisinnige Hochburg, ihr Vater Unternehmer; politisiert wurde zu Hause in Hoffeld und im Mogelsberger Gemeindehaus, wo Buscetto ihre Verwaltungslehre absolvierte. «Politik hat mich immer interessiert.» Doch als sie bei den Jungfreisinnigen FDP-Luft schnuppern wollte, gefiel es ihr nicht. «Es war mir zu wirtschaftslastig.» Sie wurde Mitglied der ortsansässigen FDP, die ihr eher entsprach.

 

Egoismus und Verlogenheit in der Politik jagen sie auf die Palme.

 

Dann kam der Umzug, der damit verbundene Austritt bei den Freisinnigen, das Engagement im Dorf auf Vereinsebene und der Einsitz im Oberstufenschulrat für die CVP. «Für mich stimmt es, denn auch hier werden christliche Grundwerte vertreten und im Sinne der Gemeinschaft politisiert. Die EVP? Sie ist mir zu fundamentalistisch», so Buscetto. Nicht, dass ihr die abendländischen Werte, das Reformiertsein unwichtig sind. Im Gegenteil. Während ihrer Zeit im Oberstufenschulrat war die Ganterschwilerin Mitglied der Kirchenvorsteherschaft. «Diese Arbeit gefiel mir, sie ist breitgefächert, vielfältig. Von Personalfragen über Finanzen bis hin zum Organisieren von Festen beinhaltete sie alles. Und du kannst mehr bewirken als im Gemeinderat.»

Kirche soll nicht nur schweigen
Politik und Kirche, das schliesse sich denn auch nicht aus, so der Grundtenor der Toggenburgerin. Beim politischen Engagement der Kirche aber sieht sie die Zweischneidigkeit des Schwertes und differenziert: «In Einzelfällen kann dies sinnvoll sein. Den Kirchbürgerinnen und Kirchbürgern politische Werte vorzugeben, wird indes nicht goutiert. Themen aber wie Menschenrechte, Kriegsverbrechen – Grundlegendes also – was gesellschaftlich bewegt und im Zeichen der Nächstenliebe steht oder die Kirche betrifft, da kann ich mir eine Meinungsäusserung vorstellen – auch von der Kanzel herab von Pfarrpersonen. Heikler ist es hingegen bei Abstimmungen wie beispielsweise dem AHV-Alter 65 für Frauen.»

Wertvorstellungen fliessen einBuscetto selbst, die seit 2017 in der Exekutive der Politischen Gemeinde Bütschwil-Ganterschwil sitzt, sich umgerechnet einen Tag die Woche in die Amtsgeschäfte kniet, Akten studiert, sich in die Dossiers vertieft, lässt ihren Glauben und die Wertvorstellungen bei Entscheiden, wenn auch unbewusst, sehr wohl einfliessen. «Ich bin offener und grosszügiger, wenn es sich um soziale Projekte handelt oder die Lebensqualität.» Egoismus habe keinen Platz. Der soziale Frieden, die Solidarität und der respektvolle Umgang – kurz das Allgemeinwohl – sind für Gemeinderätin Buscetto Maximen. Hier tragende, mehrheitsfähige Lösungen und Kompromisse zu finden, dafür steht sie ein. Ihr Credo sei es, Gelassenheit und auch den Mut zu haben, das zu belassen, was nicht zu ändern und das zu tun, was möglich sei. «Letztlich ist unser Einfluss geringer, als wir denken. Es bleibt die Hoffnung, dass es gut kommt. Denn wir können die Welt – wenn überhaupt – nur in kleinen Schritten verändern, im Wissen, dass auch du nur Gast auf dieser Erde bist.» 

Wenn die Ehrlichkeit fehlt
Diese Demut scheint der heutigen Bankfachfrau eigen, ebenso die Ruhe, die sie ausstrahlt. Aber Egoismus und Verlogenheit in der Politik jagen sie auf die Palme: «Es stört mich, wenn politisch engagierte Personen Bauernfängerei betreiben, Unwahrheiten in die Welt setzen, das Blaue vom Himmel versprechen, obwohl sie genau wissen, dass gültige Gesetze in Kraft sind, die nicht tangiert, die Versprechungen nie eingelöst werden können.» Dann wünscht sich Gabriela Buscetto weniger politische Korrektheit, um einmal Tacheles reden zu können.

Text | Foto: Katharina Meier – Kirchenbote SG, Oktober 2022

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