News aus dem Kanton St. Gallen

Der etwas andere Friedhofsbesuch

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20.10.2022
Es gibt Dutzende Friedhöfe im Kanton St. Gallen. Jeder ist anders. Sechs davon hat der «Kirchenbote» besucht und nimmt Sie mit auf eine kleine Friedhofstour durch den Kanton.

Widnau: Vom Dorf zur Stadt 
Der Weg vom armen Bauerndorf zur urbanen Metropole ist auf dem Friedhof Widnau spürbar. Der Friedhof ist eine grosse, sehr gepflegte Parkanlage mit vielfältigen Bestattungsmöglichkeiten. Die Obstbäume zeigen das Ursprüngliche. Die 1973 erbaute, leicht in den Boden versenkte Abdankungshalle, geplant von Justus Dahinden, einem bedeutenden Vertreter der Schweizer Nachkriegsarchitektur, führt baulich in die Moderne. Die beiden Gemeinschaftsgräber mit zwei liegenden Monolithen und einem stehenden «Kubus» sind Werke der Künstlerin Ingrid Tekenbroek; «Choral» ist das Vermächtnis des Toggenburger Kunstschmieds Hanspeter Breitler, der während des Schaffensprozesses unerwartet starb. Mit der Plastik «Lazarus, Jairus, Auferstehungsengel» von Albert Wider begleitet die Kunst dieses bedeutenden Rheintaler Künstlers die Friedhofsbesucher. Speziell sind die Urnen-Haingräber und die Urnen-Wiesengräber. Der Widnauer Friedhof ist ein Ort zum Innehalten – sei es für einen Besuch von Angehörigen oder einfach für einen ruhigen Spaziergang. Eine Bushaltestelle befindet sich direkt vor dem Eingang. (ak)

Hüpp (Nesslau): Der begehrte Friedhof
Die Politische Gemeinde Nesslau weist sechs Ruhestätten auf. Eine davon ist der Friedhof Hüpp, eine Anlage mit viel Grünfläche. Die Lage, etwas oberhalb des Dorfes und eingebettet in die Toggenburger Hügellandschaft, macht diesen Friedhof zu einem begehrten Platz für die letzte Ruhestätte. Auf der Fassade der Abdankungshalle ist ein Jesaja-Zitat zu lesen: «Es mögen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, spricht der Herr, dein Erbarmer.» Laut Petra Pedrett, Leiterin des Bestattungsamts, werden die Wünsche rund um die letzte Ruhestätte immer individueller: «Viele Angehörige machen auch von der Möglichkeit einer individuellen Verabschiedung Gebrauch. Das Recht, die Asche oder die Urne nicht auf einem Friedhof zu bestatten, ist sehr beliebt. Dies unabhängig davon, ob eine kirchliche Verabschiedung erfolgt oder darauf verzichtet wird.» (adi)

Altstätten: Kunst, Natur und Katze
Der Altstätter Friedhof liegt mitten in der Stadt. Allein ist man hier kaum, wird er doch nicht nur als Ort der Trauer und des Innehaltens, sondern oft auch als Park mit hoher Aufenthaltsqualität und vielen Sitzmöglichkeiten genutzt. Gerade Wege, Treppen, Halbkreise – die Anlage stellt Kirchenfenster dar. Internationale und einheimische Künstler machen den Weg durch den Friedhof zu einem Kunstweg: Grabsteine von Geri Aigner, Robert Hangartner, Gregor Weder und Markus Buschor, Glasfenster der Abdankungshalle von Ferdinand Gehr, Brunnen von Josef Ebnöther und Roland Lüchinger. Ein Museumsfeld mit Grabmälern und Grabkreuzen veranschaulicht, wie sich die Bestattungskultur im Lauf der Zeit verändert hat. Prächtig sind die Wiesenblumen und von den Bäumen zwitschert es vielstimmig – Ornithologen zählten über 60 Vogelarten. Auch eine Friedhofskatze lebt hier – während acht Jahren war es eine weisse Schmusekatze, nach ihrem Verschwinden hat nun eine rot-getigerte, aber noch scheue Katze ihr Revier um den Friedhof vergrössert. (ak)

Wattwil: In Nachbarschaft des Altersheims
In der Toggenburger Zentrumsgemeinde Wattwil finden auf dem Friedhof neben der evangelischen Kirche Angehörige verschiedener Konfessionen ihre letzte Ruhestätte. Auch Menschen, die keiner Konfession angehören. Die Anlage ist gepflegt und liegt direkt unterhalb des Altersheims Risi, was einen Friedhofbesucher zur Aussage bewegte: «Ich kann von meinem jetzigen Zuhause auf den Ort blicken, wo ich nach dem Tod hinkommen werde.» Laut Andrea Betschart, Leiterin des Wattwiler Bestattungsamtes, schwankt die Zahl der Erdbestattungen pro Jahr zwischen drei und zehn. Das Gros der Verstorbenen werde in Urnengräbern, der Urnenwand oder im Gemeinschaftsgrab beigesetzt. (adi)

Gretschins (Wartau): Letzte Ruhe im Wald
Auf einer einzigartigen Kuppe über dem Tal, auf 600 Metern über Meer, befindet sich der Ruhwald. Vom öffentlichen Parkplatz ist er bei gutem Wetter in rund fünf Gehminuten erreichbar. Beim Eingang in den Ruhwald hat es eine Tafel, auf der die Namen der beigesetzten Personen auf Wunsch angebracht werden. Die natürliche Umgebung des Waldes ist seit elf Jahren gleichzeitig Grab und Grabmal für Aschenbeisetzungen. Von aussen ist er nicht von anderen Wäldern unterscheidbar. Mit natürlichen Pfaden durchsetzt, wird der Wald geprägt durch Bergfichten jeden Alters und gemischtem Jungwald mit Bergahornen, Buchen und Birken. Bestattungsorte sind Bäume und Steine. Die Begräbnisplätze sind schlicht bezeichnet, nicht beschriftet – es gibt keine Fotos, nur an besonderen Tagen Blumen. Dank eines Plans ist es den Angehörigen möglich, den Baum oder Stein wieder zu finden. Gewählt werden kann zwischen Familien- und Gemeinschaftsbäumen und Bäumen für Einzelpersonen. Dasselbe gilt bei den Steinen. Die Asche wird durch die Angehörigen selber oder durch Mitarbeiter der Gemeinde beigesetzt. (ak)

Wildhaus: «Der Friedhof hört mit»
Zuoberst im Toggenburg gibt es konfessionelle Friedhöfe. Der Weg zum evangelischen Friedhof in Wildhaus steigt von der Kirche leicht an. Eine Friedhofsbesucherin schätzt das: «Für mich ist das wie ein Symbol, ich steige über die Treppe nach oben, um das Grab meines verstorbenen Ehemannes zu besuchen.» Als positives Zeichen beurteilt sie die Tatsache, dass sich zwischen den beiden Friedhöfen der katholischen und evangelischen Kirche die gemeinsam genutzte Abdankungshalle befindet.

Im Friedhof Wildhaus gibt es viel Freifläche. Erdbestattungen sind selten, bevorzugt werden Urnenbeisetzungen und das Gemeinschaftsgrab. Das Pfarrhaus und der Pfarrhausgarten grenzen direkt an den Friedhof. Auf die Besonderheit «ihres» Friedhofs angesprochen, sagt Pfarrerin Eva Anderegg, sie mache ihre Kinder und Gäste im Sommer bei zu lautem Sprechen mit den Worten aufmerksam: «Der Friedhof hört mit.» Damit meine sie nicht die Verstorbenen, sondern die Hinterbliebenen, welche die Gräber ihrer Angehörigen besuchen. (adi)

 

 

Texte | Fotos: Adi Lippuner, Wildhaus, und Andrea Kobler, Marbach  – Kirchenbote SG, Ende Oktober 2022

 

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