News aus dem Kanton St. Gallen

Fussballgoalie, Helipilot, Spitalseelsorgerin und Bischof – wann sie beten

von Zusammengestellt von der Redaktion
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30.05.2025
Der FCSG-Goale Zigi betet vor jedem Spiel, Helipilot Micha Berger in brenzligen Situationen, Spitalsseelsorgerin Adriana di Cesare auf Wunsch von Patienten und Bischof Markus Büchel in Gemeinschaft.

Lawrence Ati Zigi, Goalie des FC St.Gallen

«Vor dem Match laufe ich jeweils vor das Tor und bete, dass Gott mir Kraft für das Spiel gibt und mich vor Schlimmerem bewahrt. Es ist mir dann egal, wie viele Leute zuschauen. Nach dem Spiel danke ich Gott, unabhängig davon, ob wir gewonnen oder verloren haben. Ich bin eine gläubige Person und habe das Beten in Ghana schon als Kind gelernt. Wenn du in Ghana Christ bist, dann gehst du mit deiner Familie immer in die Kirche und lebst mit Gott.

Meine Angehörigen in Ghana beten für mich. Ich lese die Bibel oft. Im Buch Hiob sehe ich, dass Gott auch sehr grosses Leid zum Guten wenden kann. Hiob hat alles verloren, auch seine Familie. Doch er ist Gott treu geblieben. Das macht mir Mut. Ich habe meinen Vater verloren, als ich 12 Jahre alt war. Er hat mich immer gefördert und motiviert. Als er gestorben ist, war das sehr hart für mich.»

 

Micha Berger, Helikopterpilot

«Ich bete nicht vor jedem Flug, sondern am Abend vor dem Einschlafen für Bewahrung für alle Flüge. Ich bin einmal mit dem Helikopter in eine Wolke geflogen. Durchschnittlich dauert es in einer solchen Situation – statistisch gesehen – 168 Sekunden bis zum Absturz. Als ich realisierte, in welcher Lage ich mich befand, habe ich im Inneren laut um Gottes Eingreifen geschrien. Glücklicherweise war ich etwa 20 Sekunden später wieder aus der Wolke draussen.

Dieses Erlebnis hat mich noch länger beschäftigt. Ich war froh, dass ich in dieser Schrecksekunde jemanden hatte, zu dem ich im Inneren sprechen konnte. Es gab mir Ruhe und vor allem einen klaren Kopf. Ich sagte zu Gott: ‹Your control.› Auch wenn das Gebet kein Dialog im Sinne eines Austausches ist, hört Gott mein Verlangen. Ich kann meine Gefühle, Gedanken, Sorgen und Wünsche deponieren.»

 

Adriana di Cesare, Sozialdiakonin und Spitalseelsorgerin

«Das Bedürfnis nach Spiritualität ist in der Gesellschaft gross und hat in den letzten Jahren nicht abgenommen. Hingegen schwindet der traditionelle reformierte Glaube, wie ihn ältere Menschen noch leben. Rituale wie das Beten vor dem Essen oder am Abend sind beinahe gänzlich verschwunden. Das bedauere ich, denn Rituale geben dem Leben Boden. Sie schaffen eine innere Heimat, die man an die nächste Generation weitergeben kann.

Bei meinen Besuchen bitten mich die Menschen selten, mit ihnen zu beten. Im Gespräch spüre ich, ob sie es möchten. Dann nehme ich ihre Sorgen, Ängste, das Ringen mit dem Loslassen, ihre Schuldgefühle und die Sorge, jemanden zurückzulassen, ins Gebet auf. Oft zeigt sich dabei auch Dankbarkeit. Beten entlastet. Die Menschen fühlen sich mit all ihren Gefühlen gehalten. Das verbindet und gibt Kraft. Psalm 23 ‹Der Herr ist mein Hirte› fasst dies treffend zusammen. Deshalb schätze ich ihn so sehr.»

 

Bischof Markus Büchel, St.Gallen

«Als Bischof bete ich in verschiedenen Gottesdiensten, bei der Eucharistiefeier. Ich bete auch das Stundengebet – vor allem die Laudes und die Vesper. Wenn immer möglich, tue ich dies in Gemeinschaft, zum Beispiel anlässlich einer Sitzung mit der Bischofskonferenz, einer Zusammenkunft mit dem Ordinariatsrat, manchmal aber auch alleine. Beten ist für mich etwas ganz Persönliches. Die Form wähle ich je nach Situation und dem eigenen Befinden. Ein Gebet ist auch ein Moment der Stille, eine geistliche Reflexion, ein paar Minuten Ruhe und Einkehr.»

 

Babeth Waldburger, Synodale Schaffhausen

«Als Kind hörte ich am Abend meinen Grossvater im Nebenzimmer beten. Es klang, als würde er einem vertrauten Freund alles darlegen, was ihn bewegte, und ich dachte dabei an Abraham. Ich versuchte auch so zu beten, über viele Jahre, aber es gab keine Resonanz, keine Antworten. Gott wurde mir kein persönliches Gegenüber. Bitten wie «Hilf mir» erscheinen mir sinnlos, das Gefühl von Trost und Stärke stellt sich nicht ein. Und doch bete ich, wenn auch selten.

Vor dem Essen halte ich einen Moment inne und mache mir bewusst, dass unser komfortables Leben keine Selbstverständlichkeit ist, dass in der Nahrung etwas Unverfügbares steckt und dass ich es ganz unverdient gut habe.

Beim Einschlafen bette ich mich manchmal wie in eine grosse Hand. Und beim Erwachen am Morgen staune ich und bin dankbar, wenn es ohne körperliche Schmerzen ist und ich nicht verwirrt oder bedrückt bin, sondern voller Offenheit für den neuen Tag.

Spontan bete ich, wenn mich Schönheit überwältigt oder mich Dankbarkeit erfasst. Als Kind, wenn im Frühling der Apfelbaum neben dem Bauernhaus blühte, sprang ich herum und warf meine Freude in den Himmel.

Vor einigen Jahren, bei einer Wanderung durchs Centovalli, konnte ich angesichts der unglaublichen Blütenvielfalt auf den Wiesen nicht anders, als mich in einer kleinen Kapelle niederknien, voller Dankbarkeit und Freude. Auch beim Verweilen in einem grossen, stillen, leeren Raum – zum Beispiel im Schaffhauser Münster – gerate ich in einen Zustand, den ich als Gebet, als ein wortloses, empfinde.

In meiner Kindheit gehörte das Gebet zum Alltag wie Essen und Trinken: das Morgengebet mit der Losung, das Mittagsgebet mit dem Neukirchener Kalender und das Abendgebet. Die Mutter kam zu uns vier Kindern ins Zimmer, erzählte eine Geschichte und betete mit uns. Es war ein schöner Tagesabschluss.

Als ich älter wurde und mich langsam von der Familie entfernte, fühlte ich mich weiterhin verpflichtet zu beten. Wenn ich es nicht tat, plagte mich ein schlechtes Gewissen. Mit der Zeit verschwand das. Aber ich bin dankbar für meine religiöse Erziehung. Das Gebet gab Struktur, kulturelle Prägung und half, Sprache zu finden. Ich denke, dass es ein Privileg ist, in einer Familie aufzuwachsen, in der Eltern und Grosseltern ihr Handeln täglich im Gebet reflektierten.

Gebet bedeutet für mich auch, mir bewusst zu machen, dass die Welt um mich herum nicht die einzige Realität ist.»

 

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