Neue Songs: voller Energie
Sonntags ist für Dave Kull der grosse Tag. Dann tritt der 43-Jährige mit seiner Band vor Tausenden begeisterten Zuschauern auf. Doch Dave Kull spielt nicht im nahen Zürcher Hallenstadion, sondern im ICF-Gottesdienst in «The Hall» in Zürich-Stettbach. Die «Celebrations» finden sonntags viermal statt. Allen gemein ist der Popkonzert-Charakter. «Worship», liebevoll von Kull auf Schweizerdeutsch «Abätig» genannt, spielt in den ICF-Gottesdiensten eine grosse Rolle. Die rund 3000 meist jungen Besucherinnen und Besucher singen und tanzen enthusiastisch mit, strecken die Hände gen Himmel. Hinzu kommen unzählige Zuschauende und Micro-Churches, welche die Feier online verfolgen.
Ich wollte in die Welt hinaus und fand in die Kirche hinein.
Proben im Schweinestall
Auf einem Bauernhof in Stallikon ZH aufgewachsen, entdeckte Kull früh seine Leidenschaft für die Musik. «Ich stamme aus einer sehr musikalischen Familie», erzählt er. Der Vater war Musiker, die Brüder spielten in Bands, der umgebaute Schweinestall diente als Proberaum. «So bin ich ganz natürlich in die Musik hineingestolpert», sagt Kull. «Irgendwann fruchteten die Gitarren- und Gesangstunden und das Üben, und Musik wurde zum Lebensinhalt.» Eigentlich wollte er nie Kirchenmusiker werden, sondern Popmusik spielen. Als ICF ihn als Jugendleiter anfragte, folgte er «dem Ruf» und wurde Worship-Leiter, Songwriter und Sänger. «Ich wollte in die Welt hinaus und fand in die Kirche hinein, wo ich mich sehr wohl fühle.»
Die Worship-Bewegung stammt aus den Pfingstgemeinden in den USA. Kull komponiert Lieder und hat mehrere Soloalben veröffentlicht. Für ihn sind Worship-Songs gesungene Gebete, wie die Psalmen im Alten Testament. Mit seinen Texten gibt er den Menschen die Möglichkeit, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Kraftvoll, emotional und voller Energie. In den Liedern begegnen die Menschen Gott. Die Songs wollen Hoffnung vermitteln und den Blick von sich auf Gott lenken. «Viele Jugendliche bringen ihre Probleme und ihre Traurigkeit mit. Worship zeigt auf Jesus und die Hoffnung», sagt Kull.
Konservative Werte
ICF ist eine Freikirche mit konservativen Werten. Den Celebrations wird vorgeworfen, konservative Ansichten in Popmusik zu verstecken. Für Dave Kull gibt es keinen Widerspruch zwischen Inhalt und Verpackung: «Wir sind authentisch und wenden keine Tricks an. Unser Glaube ist unsere Überzeugung, ebenso unsere Musik und unsere Texte.» Viele alte Kirchenlieder besingen das Elend und die Welt als Jammertal. Dave Kull sieht das als wichtigen Ausdruck der damaligen Epochen, wie etwa der Gospel, der von der Unterdrückung der Sklaven, von deren Schicksal und Hoffnungen zeugt. Doch heute lebten wir in einer anderen Zeit mit anderen Themen, meint er. Es berührt ihn, wenn eine junge Frau sagt, ein ICF-Song hätte sie durch die Krankheit getragen.
Dave Kull ist überzeugt, dass man Gott in verschiedenen Stilen besingen kann. Das Lied zu Bonhoeffers Gedicht «Von guten Mächten wunderbar geborgen» beeindruckt ihn, ebenso «Grosser Gott, wir loben dich» oder das Weihnachtslied «Macht hoch die Tür» mit seiner gewaltigen Bildsprache. Besonders freut ihn, dass die Schweizer Bevölkerung mit dem Schweizerpsalm als Nationalhymne einen Worship anstimmt.
Kull hätte noch viel zu erzählen. Doch der Zeitplan ist straff, schon bald gehen die Vorbereitungen für das Ostermusical in die heisse Phase. Denn wieder warten 3000 Zuschauer auf Dave Kull, der Popstar werden wollte und Kirchenmusiker wurde.
Neue Songs: voller Energie